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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Hände auf dem Schoß. Zorn nahm einen Brieföffner vom Tisch und betrachtete ihn nachdenklich.
    »Ist Ihr Bruder ebenfalls hier?«
    »Ja, wir sind zusammen hergekommen. Eric ist bei einem Kollegen von Ihnen.« Als sie ihn ansah, huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. »Ich habe gesagt, dass ich nur mit Ihnen sprechen möchte, Herr Kommissar.«
    »Ihre Aussage hätte ebenso gut von einem anderen Kollegen aufgenommen werden können. Sind Ihnen die Fingerabdrücke abgenommen worden?«
    »Ja. Obwohl das nicht nötig gewesen wäre.«
    »Weil?«
    »Weil wir die Einbrüche nicht abstreiten.«
    »Das wäre auch nicht sonderlich klug.« Zorn schob ein paar Papiere zur Seite. »Dann fangen wir mit den Einbrüchen an. Sie waren immer zu viert?«
    »Nein, zu fünft.«
    Einen Moment war Zorn verwirrt. »Richtig«, sagte er dann, »Björn Grooth war auch dabei.«
    Sie nickte, ohne ihn anzusehen.
    »Können Sie mir erklären, warum Sie in die Lauben eingebrochen sind, Frau Haubold?«
    »Martha.«
    »Was?«
    »Nennen Sie mich Martha. Das gefällt mir besser.«
    Als sie diesmal lächelte, blitzten ihre kleinen, ebenmäßigen Zähne auf.
    »Aber mir nicht.« Zorn legte den Brieföffner beiseite. »Beantworten Sie bitte die Frage.«
    »Natürlich.« Das Mädchen zupfte eine Fussel von ihrem Rock. »Wissen Sie«, begann sie stockend, fast schüchtern, »wir haben lange darüber gesprochen, wie das mit den Einbrüchen angefangen hat. Ich glaube, den ersten haben wir begangen, weil uns langweilig war. Wir haben ja nichts kaputt gemacht, und die Laube war noch nicht mal abgeschlossen. Im Kühlschrank haben wir eine Flasche Schnaps gefunden, die haben wir ausgetrunken. Mehr war da nicht.« Sie saß ganz vorn auf der Kante des Stuhls, hatte die Knie zusammengepresst und knetete die Hände in ihrem Schoß. »Aber wir hatten Spaß, vielleicht lag es daran, dass wir etwas Verbotenes gemacht haben, und weil es so einfach war, haben wir’s dann wieder getan. Ich weiß, dass das ein Fehler war, Herr Kommissar. Und Sie können mir glauben, dass wir das nie wieder tun werden. Nie wieder.«
    Als sie diesmal aufsah, waren ihre Augen feucht.
    Sie weiß, dass sie höchstens ein paar Sozialstunden aufgebrummt bekommt, schließlich ist sie nicht volljährig, dachte er. Und sie spielt ihre Rolle perfekt. Die kleine, unschuldige Abiturientin, die sich beim Klassenlehrer entschuldigt, weil sie ihre Hausaufgaben vergessen hat. Für wie blöd hält die mich eigentlich?
    »Aber wir werden dafür geradestehen«, fuhr sie leise fort.
    »Wir sind hier nicht im Sozialkundeunterricht, und Sie halten hier auch keinen Kurzvortrag, Frau Haubold. Im Übrigen interessieren mich die Einbrüche nur am Rande, es sei denn, sie haben etwas mit dem Tod von Björn Grooth zu tun.«
    Martha rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Würden Sie bitte etwas lauter sprechen?«
    Sie räusperte sich. »Ich sagte, dass ich keine Ahnung habe.«
    »Haben Sie denn eine Ahnung, wer Björn ermordet haben könnte?«
    »Ist es denn sicher, dass er ermordet wurde?«
    »Wir werden heute die Presse informieren. Spätestens morgen können Sie in der Zeitung lesen, wie er gestorben ist. Jemand hat ein Drahtseil gespannt, da, wo er frühmorgens immer mit dem Rad gefahren ist. Dem Jungen wurde fast der Kopf abgerissen.« Zorn machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Und Sie haben immer noch keine Ahnung? Es gibt nichts, was Sie mir dazu sagen können?«
    Sie ließ einen Laut hören, der eine Art Schluchzen zu sein schien. Dann schüttelte sie den Kopf. Zorn wartete noch eine Weile. »Sie langweilen mich«, sagte er, erhob sich halb aus seinem Sessel und ließ sich dann wieder zurücksinken. Unwillkürlich begann er, sie zu duzen. »Nein, es ist schlimmer. Du langweilst mich nicht nur, du nervst mich tierisch. Die Nummer mit der Unschuld vom Lande kaufe ich dir nicht ab. Wenn du Spielchen spielen willst, kannst du das mit den Jungs aus deiner Klasse tun, aber nicht mit mir.«
    Die Veränderung, die mit ihr vorging, war so radikal, dass Zorn einen Moment der Atem stockte. Innerhalb einer Sekunde schien ein anderer Mensch vor ihm zu sitzen. Sie stieß ein Zischen aus, ihr Gesicht verzerrte sich, wurde hart, kantig und als er ihr in die Augen sah, waren es wieder die Augen einer alten Frau, die mehr als genug vom Leben gesehen hat.
    »Denkst du, ich weiß nicht, was du von mir willst, Kommissar?« Ihre Stimme war heiser, fast ein

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