Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
zweiundvierzig! Was in aller Welt sollte ich von der wollen?«
»Sagen Sie’s mir, Herr Hauptkommissar.«
»Das war eine rhetorische Frage, verdammt!«
»Ich habe auch keine Antwort erwartet.«
»Was würden Sie an meiner Stelle tun? Wenn irgendeine Nachwuchs-Lolita behauptet, belästigt worden zu sein, und es gibt nichts, was Sie dagegen tun können? Scheiße, ich habe nicht die geringste Chance, mich zu wehren! Ich komme mir vor wie ein Schwerverbrecher!«
»Sind Sie jetzt fertig?«
Zorn lief wütend im Zimmer auf und ab. »Wenn ihr dieser Göre mehr glaubt als mir, bitteschön, ich kann’s nicht ändern.«
»Ich fragte, ob Sie jetzt fertig sind«, wiederholte Frieda Borck ruhig.
Er stand mit verschränkten Armen vor ihr, sein Puls raste. Die Staatsanwältin stieß sich mit den Händen von der Tischplatte ab und trat dicht an ihn heran. Sie trug hohe Absätze und war nur ein paar Zentimeter kleiner als Zorn.
»Wenn das Mädchen Sie anzeigt, wird dieser Fall bearbeitet wie jeder andere auch. Ich werde von einer anderen Dienststelle einen Kollegen anfordern, der unabhängig ermittelt. Das ist Vorschrift, und daran werde ich mich halten.«
»Natürlich, die Vorschriften.« Zorn lachte freudlos auf. »Ob jemand über die Klinge springt, ist völlig egal.«
»Würden Sie mich bitte ausreden lassen?«
Frieda Borck hatte hellgraue Augen mit gelben, leuchtenden Flecken um die Pupillen. Das war Zorn bisher nicht aufgefallen.
Er zuckte die Achseln. »Von mir aus.«
»Wir wissen beide, dass Sie nicht dumm sind, Herr Zorn. Allenfalls emotional ein wenig unterbelichtet, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, hier rumzujammern wie ein altes Waschweib.«
Zorn öffnete empört den Mund, die Staatsanwältin brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er roch den Duft ihres frisch gewaschenen Haars. »Ich habe Sie vorhin ausreden lassen, jetzt bin ich dran, Herr Zorn. In meinen Augen sind Sie ein egozentrischer Angeber, der es gewohnt ist, alles flachzulegen, was einen Rock trägt. Der Melancholiker, der kurz mit den Augen klimpert und alles bekommt, was er will. Sie glauben, dass Frauen auf Sie abfahren, und vielleicht war das ja in den letzten fünfundzwanzig Jahren so. Ich finde diese Art zum Kotzen, wenn die Bemerkung gestattet ist.«
»Diesen Mist muss ich mir nicht anhören.« Zorn wandte sich zum Gehen.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte sie leise.
Seine Hand lag bereits auf der Klinke, er drehte sich schweigend wieder um.
»Was ich persönlich für Sie empfinde, ist nebensächlich«, fuhr Frieda Borck fort, »aber was diesen Vorfall betrifft, sage ich Ihnen Folgendes: Ich glaube Ihnen. Und ich bin sicher, dass Sie sich absolut korrekt verhalten haben. Einerseits, weil Sie nicht der Typ sind, der einer Frau körperlich weh tut. Andererseits müssten Sie komplett durchgedreht sein, jemanden während der Dienstzeit in Ihrem Büro vergewaltigen zu wollen. Wir werden das in Ruhe prüfen, und wir werden die Aussage des Mädchens ernst nehmen. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn sie recht hätte. Sollte sie Anzeige erstatten und es stellt sich heraus, dass sie uns veralbert, kann sie sich auf was gefasst machen.«
Er dachte kurz nach. »Sonst noch was?«
»Ja. Sie sollten dringend unter die Dusche.«
Während Zorn draußen im Flur unauffällig unter seiner Achsel roch, stand Frieda Borck noch einen Moment in ihrem Büro. Dann lächelte sie kurz und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.
*
»Dieser Job kotzt mich an. Er kotzt mich einfach nur an.«
»Wenn du meinst, Chef.«
Die Nachmittagssonne fiel schräg ins Büro. Schröder stand in der Tür, die Aktentasche klemmte unter seinem Arm. Zorn ging ans Fenster, sah hinaus und atmete tief ein. Noch immer glaubte er, den süßlichen Geruch von Martha Haubolds Parfum wahrzunehmen. Er war hundemüde.
»Findest du, dass ich stinke?«, fragte er, ohne sich umzusehen.
»Wie meinen?«
»Ach, schon gut.« Zorn seufzte, stützte sich mit der Hand im Fensterrahmen ab und wandte sich Schröder zu. »Immerhin glaubt die Borck mir.«
»Dass du dem Mädchen nichts getan hast?«
»Ja.«
»Das tu ich auch.«
»Ich weiß, Schröder. Trotzdem, es ist frustrierend, dass man so wehrlos ist. Dieser beschissene Gedanke, dass irgendeine Scheißgöre daherkommen und solch absurde Scheiße behaupten kann, ist …«, er überlegte, fand aber nicht das richtige Wort.
»… Scheiße?«, half Schröder.
»Ja. Danke.«
»Keine Ursache. Eines ist mir nicht ganz
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