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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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klar.« Schröder kratzte sich am Kopf und überlegte. »Hättest du sie nicht aufhalten können? Wenigstens verhindern, dass sie sich die Arme aufschneidet?«
    »Das hätte ich wahrscheinlich.« Zorn ging zum Schreibtisch, bückte sich und hob den Brieföffner auf, der während des Handgemenges zu Boden gefallen war. Er drehte ihn nachdenklich zwischen den Fingern. »Ich war einfach nicht schnell genug. Und hab wohl nicht erwartet, dass sie so kaltschnäuzig ist.«
    »Hast du ihre Handgelenke gesehen, Chef?«
    »Du meinst die Narben? Ja, hab ich.«
    »Sie hat mindestens einen Suizidversuch hinter sich.«
    »Das denke ich auch. Aber es erklärt nicht diese durchgeknallte Aktion.«
    »Nicht unbedingt, aber vielleicht hilft uns das im Mordfall Björn Grooth weiter.«
    »Wieso?«
    »Das weiß ich selbst noch nicht, Chef. Aber wir sollten das nicht vergessen.«
    »Ich bin sicher, dass du das im Auge behalten wirst.« Zorn warf dem Brieföffner einen angewiderten Blick zu, dann ließ er ihn in den Papierkorb fallen. »Was ist eigentlich bei der Vernehmung ihres Bruders herausgekommen?«
    »Das lässt sich in einem Wort sagen.«
    »Lass mich raten: Nothing? «
    » Yes , Chef.« Schröder lächelte bedauernd. »Jedenfalls nichts Neues.«
    Zorn fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Lass uns Schluss machen, morgen sehen wir weiter. Jetzt brauch ich erst mal ein Bier.«
    »Versuch’s mit einem Kamillentee, der beruhigt. Alkohol ist keine Lösung, Chef.«
    »Kamillentee aber auch nicht«, erwiderte Zorn ernst.
    Dann fuhren sie nach Hause.
    *
jetzt bin ich unterwegs, passt auf, bleibt, wo ihr seid, ich komme näher

Zehn
    Nachts.
    Udo Kempff sitzt auf der oberen Plattform des Sprungturms. Seine Beine baumeln von der Kante, unter ihm glänzt das Wasser wie ein schwarzer Spiegel. Es ist warm, der Beton hat die Sonnenhitze gespeichert und strahlt sie nun wieder ab. Der Abend ist sternenklar, Udo erkennt den Großen Wagen und den Polarstern, der nach Norden hin über der Stadt flimmert. Von rechts, da, wo die Gartenlauben liegen, dringt Musik heran, irgendjemand scheint eine Party zu veranstalten. Ein Technobeat wummert, dazu fragt eine Männerstimme jammernd, warum Liebe immer weh tun muss. Udo Kempff presst die Lippen aufeinander, er hasst Schlagermusik.
    Die Flamme des Feuerzeugs flackert auf, er schirmt sie mit der Hand gegen den Wind ab, dann leuchtet die Glut seiner Zigarette. Er ist gern hier, nachts, allein, es ist still und doch scheint es, als würden die Schreie und das Lachen der Menschen auch jetzt noch in den Bäumen hängen, genau wie der Geruch von Pommes, Gras und Sonnenmilch.
    Er atmet tief ein. Früher war er ein Niemand, immer der Kleinste, der Zwerg, den keiner ernst nahm, im Kindergarten, in der Schule, in der Lehre. Dann hat er angefangen zu trainieren, erst hat er Liegestütze gemacht, dreißig, vierzig, hundert. Später kamen die Hanteln, er spürte, wie er täglich stärker wurde, sein Körper veränderte sich, ebenso die Blicke der anderen, in denen er seit ungefähr einem Jahr etwas sieht, das er bisher nicht kannte.
    Respekt. Manchmal auch Angst, auch das ist gut. Es gefällt ihm.
    Jetzt ist er stark, er kann sich wehren. Nicht mit Worten, nein, reden konnte er noch nie gut. Aber er hat andere Mittel. Er kann zuschlagen, wenn ihm etwas nicht passt.
    Die Betonkante kneift in seinen Oberschenkeln, er verlagert das Gewicht und rutscht ein wenig nach vorn. Ein feiner Funkenregen leuchtet auf, als er die Zigarette davonschnippt, eine kleine Sternschnuppe, die langsam vom Turm segelt und im Sprungbecken verlischt. Es zischt leise, doch er hört es nicht. Ebenso wenig wie das leise Klappern des Metalls, als jemand vorsichtig die letzten Stufen der Treppe erklimmt, hinter ihm auf der Plattform erscheint und sich langsam aufrichtet. Ein Rascheln der Kleidung, dann drei, vier schnelle Schritte auf dem Beton, jetzt hört er etwas, das Geräusch von Gummisohlen auf rauem Beton, nun allerdings ist es zu spät, denn bevor er sich umdrehen kann, legt sich das Seil um seinen Hals und schnürt ihm in Sekundenschnelle die Luft ab.
    *
    Gar nicht weit entfernt liegt Frau Kalze auf einer altertümlichen Klappcouch in ihrer Laube und ist äußerst gereizt. »Jetzt hat man nicht mal mehr in der Nacht seine Ruhe, oder nicht?«
    »Ich dachte immer, du magst Schlagermusik«, brummt Herr Kalze und dreht sich auf die andere Seite. Es ist eng auf der Couch, obwohl er damals das größte Sofa besorgt hat, das er auftreiben

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