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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Vor allem, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Als würde ihn etwas quälen. Und es schien, als wäre er mit seinen Gedanken nicht immer bei der Sache.
    Das konnte, nein, das musste mit dem Messerangriff zu tun haben, den er nur knapp überlebt hatte. Eine Art Trauma, eine andere Erklärung gab es nicht. Oder doch?
    Vielleicht sollte ich mit ihm reden, überlegte Zorn. Aber wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein. Ich bin ein schlechter Menschenkenner, und Schröder weiß am besten, wie er sich helfen muss.
    Ächzend richtete er sich auf und langte nach dem Stapel mit der Post. Eine kostenlose Wochenzeitung, die er kurz durchblätterte und dann beiseite warf. Ein Brief des städtischen Stromanbieters, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass die Stadtwerke bundesweit zu den günstigsten Anbietern gehörten und vor allem die Zufriedenheit ihrer Kunden im Auge hätten. Im Brief lagen Rabattmarken für ein Gartencenter und die Mitteilung, dass sich die Strompreise im nächsten Jahr um zwei Prozent erhöhen würden. Dann folgten einige Werbeprospekte, die er einen nach dem andern achtlos zu Boden fallen ließ. Bis er plötzlich auf eine Postkarte stieß. Es musste Monate, wenn nicht Jahre her sein, dass er die letzte erhalten hatte. Auf der Vorderseite ein buntes Foto: Wellen, Strand und ein paar Möwen. Am rechten Bildrand eine Palme, wahrscheinlich irgendwo am Mittelmeer.
    Zorn drehte die Karte um.
    Er erkannte die Handschrift sofort. Steile, etwas strenge Großbuchstaben, rechts seine Adresse und auf der linken Seite drei Worte:
ICH VERMISSE DICH
M
    Zorn schnappte nach Luft, verschluckte sich und bekam einen Hustenanfall. Sprang auf, rannte zum Kühlschrank, nahm sich ein Bier, trank es zur Hälfte aus und wankte mit weichen Knien zurück ins Wohnzimmer, um sofort wieder aufs Sofa zu sinken. Nahm die Karte und sah sie noch einmal an.
    Sie hatte ihm geschrieben.
    Malina.
    Seine Hand zitterte. Vor Wut.
    Was bist du doch für eine blöde Kuh, dachte Zorn. Wie lange bist du jetzt verschwunden? Drei Monate? Und jetzt, wo ich gerade dabei bin, dich zu vergessen, meldest du dich? Jetzt, wo ich’s fast geschafft hab? Und erklärst mir, dass ich dir fehle? Was hast du in den letzten beschissenen zwölf Wochen gemacht? Ich sitze hier und geh vor die Hunde, hab keine Ahnung, was los ist, und die feine Dame lässt sich gemütlich die Sonne auf den Arsch brennen? Was bildest du dir ein, verdammt?
    Sorgfältig begann er, die Karte in kleine Stücke zu zerreißen.
    Fick dich, Malina.
    Die Fetzen segelten zu Boden.
    Du kannst mich mal, du Eule.
    Landeten zwischen Prospekten und Werbebriefchen.
    Ich brauch dich nicht, du Ziege.
    Er warf alles in den Papierkorb.
    Lass mich in Ruhe, du Schnepfe.
    Es sollte lange dauern, bis Claudius Zorn an diesem Abend schlafen konnte. Als es endlich so weit war, hatte er Malina mit sämtlichen Schimpfwörtern bedacht, die er kannte. Irgendwann fielen ihm keine mehr ein, und so erfand er neue. Zunächst spielte er sämtliche Variationen des menschlichen Hinterteils durch (Arschkrampe, Kackwurst) , dann ging er zu Tiernamen (bekloppte Saftschnecke) über, es folgten Berufsgruppen (grenzdebile Klofrau) , Haushaltsgeräte (mistbescheuerter Quirl) und als ihm auch da nichts mehr einfallen wollte, landete er wieder im Tierreich (beknackte Zimtzicke).
    Das Schimpfwort-Repertoire des so grundlos verlassenen Hauptkommissars war äußerst begrenzt, nichts davon war sonderlich originell.
    Aber eines hatten all diese Wörter gemeinsam: Nett waren sie definitiv nicht gemeint.

Zwölf
    Am folgenden Vormittag erschien ein hellblonder junger Mann im Präsidium und meldete sich an der Hauptpforte. »Mein Name ist Max Brandt, ich möchte bitte zu Hauptkommissar Schröder.«
    Der Diensthabende sah kurz von seiner Zeitung auf.
    »In welcher Sache?«
    »Das würde ich ihm gern selbst sagen.«
    Der Beamte griff zum Telefon, wählte eine dreistellige Nummer und wartete schweigend auf eine Verbindung. Er hielt den Hörer ans linke Ohr, konzentrierte sich aber auf das andere, denn nach wenigen Sekunden begann er, mit dem kleinen Finger darin herumzupuhlen.
    Der Hörer knallte auf die Gabel. »Kollege Schröder ist nicht da.«
    »Könnten Sie ihm etwas ausrichten?«
    »Natürlich.« Der Pförtner überlegte. Dabei betrachtete er stirnrunzelnd seinen Fingernagel, unter dem jetzt eine verdächtige, rotbraune Masse klebte. »Wenn ich ihn sehe.«
    »Sagen Sie ihm bitte, dass ich hier war?«
    »Wenn ich ihn sehe«, wiederholte der

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