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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Laune.«
    Als Earl sah, dass Lucas es ernst meinte, beruhigte er sich. »Wenn ich nicht so viel getrunken hätte, würd ich dich auseinandernehmen«, brummte er.
    »Verschwinde«, erwiderte Lucas. »Ich muss was mit dem Clown da besprechen.«
    Earl nahm sein Bier und ging weg, um einer der Tänzerinnen zuzusehen.
    »Clown?«, wiederholte Del.
    »Hat mal Eishockey gespielt?«
    Del lächelte. Seine Zähne schimmerten gelb in dem trüben Licht. »Auge um Auge …«
    »Ich wusste nicht, ob dem Dicken klar ist, dass du ein Cop bist«, erklärte Lucas. »Sonst hätte ich Ossifer Capslock zu dir gesagt.«
    »Verbindlichsten Dank.«
    Del war schlank und mittelgroß und hatte trotz seiner jungen Jahre graue Strähnen in den Haaren sowie einen kurzen, ordentlich gestutzten Bart. Sein Gesicht war wettergegerbt, und seine Arme waren von der Sonne gebräunt. Er trug eine Jeans und ein uraltes, am Hals eingerissenes Bob-Dylan-T-Shirt, dazu am einen Handgelenk eine silberne Rolex. Del ging Lucas voran zu seinem weiß lackierten ’77er Scout-Pick-up-Kabrio. Nachdem er es sich auf dem Sitz bequem gemacht hatte, sagte er: »Wir haben vier Gespräche vor uns, mit Freunden und Verwandten.«
    »Warum mitten in der Nacht?«
    »Weil sie da zu Hause sind«, antwortete Del und ließ den Motor an. »Die haben keine normalen Jobs.«
    Von Freunden und Verwandten erfuhren sie nichts über den Mord. Smith, sagten sie, sei mit seinen Kumpels unterwegs gewesen. Alle wussten, dass er Crack genommen und gedealt hatte, und vermuteten deshalb, jemand habe sich das Crack unter den Nagel gerissen.
    Ein Mann erklärte verärgert: »Das Zeug ist überall, es macht alle kaputt, und ihr tut absolut nichts dagegen.«
    »Ich weiß einfach nicht, was«, sagte Del. »Wir sind um Vorschläge dankbar.«
    »Tun Sie irgendwas. Nehmen Sie sie fest. Stecken Sie sie ins Gefängnis. Das sind Tiere, die ruinieren das Viertel. Wenn wir Weiße wären, würdet ihr euch drum kümmern.«
    Seine Frau, die mit verschränkten Armen hinter ihm stand, nickte.
    Mit Del herumzufahren war irgendwie seltsam.
    In Uniform rechnete Lucas im Allgemeinen erst einmal damit, es mit Gegnern zu tun zu haben. Bei Verkehrsunfällen, Straßensperren, Schlägereien, Verbrecherjagden, Notarzteinsätzen oder Gesprächen mit Verbrechensopfern brauchten Uniformierte normalerweise nicht viel Einfühlungsvermögen. Wie das Militär mussten sie sich keine Freunde machen. Wenn er bewaffnet und mit Funkgerät ausgestattet durch ein gefährliches Viertel fuhr, kam er sich manchmal tatsächlich wie in der Armee und in feindlichem Gebiet vor.
    Del hingegen bot Hilfe an, lauschte aufmerksam und bewies Geduld. Als der Mann gegen Crack wetterte, nickte er. »Sagen Sie das bitte nicht meinem Chef, aber ich bin da ganz Ihrer Meinung.«
    Was zur Folge hatte, dass der Mann sich kooperationsbereit zeigte. Leider konnte er ihm keine echten Informationen geben, wahrscheinlich, dachte Lucas, weil niemand welche hatte.
    Um zehn Uhr war Del in eine tiefschürfende Diskussion mit einem Geistlichen verwickelt, der einmal eine Kirche geleitet hatte, in der Smith mit seiner Mutter gewesen war. Lucas ging inzwischen zu der Ecke, an der ihr Wagen stand. Dabei nahm er aus den Augenwinkeln einen schmalen jungen Weißen wahr, der sich dieser Ecke ebenfalls näherte. Der Mann trug einen breitkrempigen weichen Hut, ein Modell, das irgendwann in den Siebzigern, mit dem Ende der Disco-Ära, aus der Mode gekommen war. Lange, verfilzte Rastalocken lugten darunter hervor.
    »Randy«, rief Lucas ihm zu.
    Der Mann erstarrte und begann dann zu rennen. Lucas folgte ihm mit etwa fünfzig Metern Abstand.
    Randy Whitcomb hatte den Vorteil, nicht so viel zu wiegen wie Lucas, obwohl er diesem sportlich gesehen nicht das Wasser reichen konnte. Als Lucas um die Ecke lief, hörte er Del »Hey! Hey!« rufen. Pro Häuserblock holte Lucas etwa zehn Meter auf, aber die Autos behinderten ihn. Manchmal fand er keine Lücke, und Randys Vorsprung wuchs wieder an, dann verpasste Randy die Lücke, und Lucas holte auf. Fünf Blocks, und Lucas kam näher, war nur noch fünfzehn Meter von ihm entfernt. Da bog Randy in eine Gasse, und Lucas sah, wie etwas über eine Hecke flog. Randy hatte sein Crack, Koks oder Gras weggeworfen, in der Hoffnung, dass Lucas das nicht merkte.
    Am Ende des Blocks war Lucas eineinhalb Meter von ihm entfernt, schließlich noch einen halben. Als Randy seine Schritte hörte und sich verzweifelt umblickte, verlor er wieder ein paar

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