Zorn
«
»Unsinn«, sagte Del.
»Nein. Logikseminar eins-null-eins. Nach diesem, also wegen diesem. Schlag’s nach«, sagte Lucas.
»Zeitverschwendung.«
Nachdem Lucas sich von Del verabschiedet hatte, sah er auf die Uhr. Halb zwei morgens. Eigentlich hätte er im Bett liegen müssen, doch das Nachmittagsschläfchen und sein Nachtschichtrhythmus sorgten dafür, dass er hellwach war. Er konnte noch durch die Clubs ziehen oder nach einer Party an der Uni Ausschau halten, aber …
Lucas kehrte zum XTC zurück, ging zum Telefon und wählte die Nummer aus dem Gedächtnis.
»Archiv«, meldete sich Catherine Browne.
»Du schneidest Artikel aus Zeitungen aus?«, fragte Lucas.
»Genau das tue ich. Und es ist sehr kalt und einsam hier oben.«
»Bestimmt auch langweilig«, fügte er hinzu.
»Mein Job ist wichtig«, sagte sie. »Was würde passieren, wenn die Reporter ihre Artikel selber archivieren müssten?«
»Entsetzliche Vorstellung. Magst du Pilze?«
»Ich liebe Pilze – und Peperoni. Und komme um vor Hunger. Aber ich habe erst in eineinhalb Stunden frei.«
»Ich könnte uns eine Pizza holen und in einer Stunde da sein«, schlug Lucas vor.
»Ich bin um Punkt drei unten an der Tür.«
Was bedeutete, dass er eine Stunde totschlagen musste: Die Pizza konnte er jederzeit bei Red’s an der Hennepin Avenue kaufen, das die ganze Nacht geöffnet hatte. Lucas warf einen Blick auf seine Uhr, bevor er sein Notizbuch aus der Tasche zog. Rotes Haus, Ecke Cornwall und Eighteenth. Er fuhr quer durch die Stadt zurück und erreichte die Cornwall innerhalb von fünfzehn Minuten, weil nicht viel Verkehr war. In dem großen roten Haus brannte Licht.
Lucas stellte den Wagen vor dem Haus ab, sah sich um, ging über den Rasen, stieg die Stufen zur Veranda hinauf und klopfte. Drinnen hörte er ein Radio oder einen Plattenspieler, dann, wie jemand etwas sagte, und er klopfte noch einmal, diesmal lauter.
Eine hübsche Frau kam an die Tür, zog den Vorhang vor dem Glaseinsatz zurück, schaltete das gelbe Außenlicht ein und musterte ihn verblüfft darüber, dass jemand wie Lucas um zwei Uhr morgens an ihrer Tür klopfte.
»Was gibt’s?«, fragte sie durch das Glas.
Lucas zeigte ihr seine Dienstmarke. »Ich muss mit Delia White sprechen. Sind Sie das?«
»Was wollen Sie von Delia?«
»Möglicherweise kann sie mir bei Ermittlungen behilflich sein«, antwortete Lucas.
»Es ist zwei Uhr morgens.«
Lucas sah auf seine Uhr und runzelte die Stirn. »Himmel, ich hab jedes Zeitgefühl verloren.«
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, und sie wandte sich um und rief ins Haus: »Mom!«
Eine andere Frau kam herbei. Die erste trat ein paar Schritte von der Tür zurück, so dass Lucas die beiden nicht mehr sehen konnte. Kurze Zeit später zog die zweite Frau den Vorhang zurück und herrschte ihn an: »Was wollen Sie?«
»Ich bin von der Polizei und muss mit Delia sprechen.«
»Worüber?«
»Soweit ich weiß, hat Delia gesehen, wie L. Ron Parker auf Ronald Rice eingestochen hat.«
Der Vorhang schwang zurück, und er hörte die Frauen reden, ohne zu verstehen, was sie sagten. Dann öffnete sich der Vorhang wieder, und die ältere Frau entriegelte die Tür.
Auf dem Sofa im Wohnzimmer entschuldigte Lucas sich für sein spätes Auftauchen und erzählte ihnen von den Ermittlungen im Fall Jones.
»Ein Mann hat mir gesagt, dass Ms White mir in der Sache mit L. Ron Parker möglicherweise helfen kann.«
»Wenn El-Ron herausfindet, dass ich mit der Polizei rede, sticht er mich ab«, erklärte die hübsche Frau, offenbar Delia.
»Die Wahrscheinlichkeit ist gering«, versuchte Lucas sie zu beruhigen. »Normalerweise gelingt es uns, solche Typen mit Argumenten zu überzeugen. Es sei denn, sie haben nicht alle Tassen im Schrank.«
»Hat El-Ron auch nicht«, stellte die ältere Frau fest und sah ihre Tochter an. »Aber ich weiß nicht, ob er verrückt genug ist, um auf dich loszugehen.«
»Besonders nach dem, was er mit Ihrer Schwester gemacht hat«, bemerkte Lucas.
Die ältere der Frauen fragte: »Was wissen Sie darüber?«
»Ich hab davon gehört«, antwortete Lucas. Langes Schweigen, bis Lucas sein Notizbuch hervorholte. »Erste Frage: Wofür steht das ›L‹?«
»Was für ein L?«, erkundigte sich Delia White.
»Das in L. Ron Parker.«
»Das ist kein L, sondern ›El‹. Er heißt El-Ron Parker. El-Bindestrich-Ron.«
»Hat er Ihre Schwester umgebracht?«, fragte Lucas Delia.
»Ich kann es nicht beweisen, aber er war’s.«
»Wie
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