Zornesblind
zog er den Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Dann warf er sich auf das Sofa und trat die Schuhe aus. Legte die Füße auf den Tisch und genoss die behagliche Wärme. Kurz darauf hörte er eine Tür im Gang aufschwingen.
»Dad?«, rief Courtney.
»Hey, Kleines.«
Sie humpelte auf Krücken durch den Flur und steckte den Kopf ins Wohnzimmer. »Ich dachte, du arbeitest«, sagte sie.
»Ich dachte, du wärst in der Schule.«
Ein schuldbewusstes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als fühlte sie sich ertappt. »Heute ist unser sozialer Tag.«
»Ah, genau wie letzten Freitag.«
Courtney senkte konsterniert den Blick, dann konzentrierten sich ihre blauen Augen auf seine verletzte Hand.
»War wohl ein bisschen zu wild beim Steine-Schere-Papier-Spiel.«
»Kannst du auch mal ernst sein, Dad?«
Er atmete geräuschvoll aus. »Bei unseren Ermittlungen hat es irgendwo gebrannt. Die Verletzung ist halb so wild.«
Sie fixierte seine Hand, als könnte sie durch den Verband hindurchsehen. »Heilt das denn wieder?«
»Klar, ist bloß ersten Grades«, schwindelte er.
Eine längere Pause entstand. Striker genoss die Wärme des Kaminfeuers und die Ruhe daheim, Courtney hinkte durch das Zimmer und sammelte ihre Siebensachen zusammen.
Striker ertappte sich dabei, dass er sie dabei beobachtete. Sie war ihrer Mutter manchmal sehr ähnlich; wie sie ihn anschaute, wie sie die Lippen schürzte, wenn sie konzentriert nachdachte, oder leise mit der Zunge schnalzte, wenn sie nervös war.
Die Launenhaftigkeit und den Dickkopf hatte sie ebenfalls von Amanda. Manchmal, wenn er sie anschaute, glaubte Striker sekundenlang, Amanda vor sich zu haben, und prompt machte er sich wieder Vorwürfe wegen dem, was damals passiert war. Er versuchte, nicht daran zu denken.
Als Courtney ihre Sneakers anzog, merkte er auf.
»Am sozialen Tag in die Schule? Donnerwetter, das nenne ich Einsatz.«
»Ich hab noch ein paar Sachen zu erledigen.«
»Denk an deine Krankengymnastik«, ermahnte er sie milde.
Sie verdrehte die Augen. »Ja, Dad. Ich gehe hin, zufrieden? Gott, du nervst.«
»Ich wäre zufriedener, wenn du nicht dauernd die Therapie schwänzen würdest. Es ist wichtig, dass du diese Termine wahrnimmst.«
»Ich gehe hin, okay?«
Striker nickte. »Gut. Grüß Annalisa von mir. Und lass dir die Gehhilfen neu von ihr einstellen, damit sie die richtige Höhe haben.«
Courtneys Augen wurden schmal, und sie schüttelte den Kopf. »Es sind Krücken , Dad, kapiert? Krücken, keine Gehhilfen. Wann begreifst du das endlich?«
»Krücken, Gehhilfen – wo ist da der Unterschied?«
»Für mich macht es einen himmelweiten Unterschied«, fauchte sie, und ihre Augen schimmerten unvermittelt feucht.
Strikers Herz krampfte sich schmerzvoll zusammen. »Entschuldige, Kleines. Ich hab’s nicht so gemeint.«
»Das sagst sich hinterher leicht.«
»Entschuldige«, wiederholte er zerknirscht.
Statt einer Antwort richtete Courtney sich auf. Sie humpelte zur Tür und wortlos hinaus.
»Ich kann dich mit dem Auto hinbringen«, erbot er sich.
Sie schwenkte herum und musterte ihn eisig. »Nein, danke. Mir reicht’s für heute, Dad.«
»Courtney …«
Sie knallte die Tür hinter sich zu und war verschwunden.
Einen kurzen Moment lang überlegte Striker, ob er ihr hinterhergehen sollte, verwarf den Gedanken jedoch. Was sollte das bringen? Vermutlich würde er alles bloß schlimmer machen. Courtney war genauso unversöhnlich wie ihre Mutter, wenn sie mies drauf war. Dann ließ man sie am besten in Ruhe. Womit hatte er sie dieses Mal provoziert? Er ging in Gedanken ihr Gespräch durch, war sich aber nicht wirklich einer Schuld bewusst. Schließlich gab er auf, seine Hand schmerzte. Der Kopf schmerzte. Und er war verdammt groggy.
Im Arzneimittelschrank lag ein Schmerzmittel, das er letztes Jahr für Courtney gekauft hatte. Vermutlich war das Verfallsdatum mittlerweile abgelaufen. Er nahm es trotzdem. Seine Gedanken kehrten wie üblich zu seinem Job zurück. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und las das Display.
Keine neue Nachricht.
Das bereitete ihm Kopfzerbrechen. Larisa war irgendwo da draußen, und er hockte hier herum, aus dem Verkehr gezogen wegen einer läppischen Handverletzung. Wenn er sich querstellte, würde ihm dieser verdammte Laroche garantiert die Unfallversicherung auf den Hals hetzen, und er müsste einen Spezialisten konsultieren.
Es ist, wie es ist, seufzte er resigniert. Mach das Beste draus, noch ist die
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