zorneskalt: Thriller (German Edition)
Anrufe, die mit Fragen nach meinen Aufenthaltsorten, meinen Plänen gespickten Schwätzchen. Ich hatte geglaubt, sie interessierte sich für mein Leben, weil ihr eigenes so langweilig war. Ich war auf ihre Masche reingefallen. Ach, mein Leben ist so eintönig, ich will dich nicht damit langweilen. Erzähl mir lieber, was du getrieben hast. Gott, ich hatte sogar angefangen, mich auf seltsam masochistische Weise auf ihre Anrufe zu freuen! Ich war ihr unachtsam in die Falle gegangen. Ich hatte geglaubt, Sarah hätte mich gern, und mich geschmeichelt gefühlt. Selbst nach all diesen Jahren, in denen ich im Vergleich zu ihr gewaltig viel erreicht hatte, wollte ich noch immer von ihr gemocht werden – und das wusstest du, nicht wahr, Clara? Du hattest meine Schulmädchenunsicherheit skrupellos ausgenutzt.
Zorn durchpulste mich. Trotz der Kälte bildeten sich auf meiner Oberlippe winzige Schweißperlen.
Du kanntest mich zu gut.
Und dann lachte ich das grausige Lachen einer Verrückten, das von Wind und Wellen fortgetragen wurde.
Du kennst meine Schwächen. Aber ich kenne auch deine.
Als ich den Strand verließ und die Queen’s Road entlangeilte, hatte ich bereits die Umrisse eines Plans im Kopf. Ich betrat einen Starbucks, bestellte eine heiße Schokolade und einen Muffin und suchte mir einen Tisch im rückwärtigen Teil des Cafés. Dort zog ich mein Handy heraus und ging die Anruferliste durch, um ihre Nummer zu finden.
Sie meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
» Oh, hi, Puppe«, sagte sie. Babe und Puppe waren in Sarahs Wortschatz synonym. » Wie kommst du klar?«
Leider nicht sehr gut. Ich habe gerade herausgefunden, dass mein ganzes beschissenes Leben eine Lüge ist.
» Okay«, sagte ich. » Jonnys Beerdigung war schwierig. Und diese Sache mit Clara und der Polizei hängt weiter über mir.« Ich machte eine kurze Pause, dann beschloss ich weiterzumachen. » Oh, und dazu kommt, dass alle möglichen unheimlichen Dinge passieren.«
» Was für Dinge?«
» SMS und Briefe, weißt du, mit irgendwelchen Drohungen, und dann bin ich neulich nachts aufgewacht, weil jemand in meiner Wohnung gelacht hat.«
» Oh, Scheiße …«
» Dann hat sich rausgestellt, dass jemand bei mir eingebrochen und eine CD , auf der jemand lacht, in die Stereoanlage gelegt hat. Ist das nicht verdammt unheimlich?«
» Hat die Polizei einen Verdacht?«
» Die Beamten halten mich für verrückt, weil nirgends Einbruchsspuren zu finden waren, und du hättest sehen sollen, wie sie mich angeglotzt haben, als ich gesagt habe, dass ich dieses Lachen kenne. Aber ich würde es überall wiedererkennen.«
Sie zögerte, bevor sie sagte: » Diese Wichser. Sie sollten dich ernst nehmen.« Im Hintergrund war eine Türglocke zu hören. » Oh, sorry, Babe, da kommt eine Lieferung, ich muss gehen. Ruf dich später wieder an, okay? Heute Nachmittag? Mach’s gut!« Und sie legte auf.
Ich saß da, trank meine heiße Schokolade und verzog das Gesicht, als ich zu dem zuckrigen Bodensatz kam. Dann zog ich den Mantel an, nahm meine Umhängetasche und ging wieder in die Kälte hinaus.
Sarah hatte nicht gefragt, wessen Lachen ich zu hören geglaubt hatte.
Das war unnötig gewesen. Weil sie’s bereits wusste.
Die Einkaufsliste hatte ich im Kopf: Schokolade, Sandwichs, Kekse, mehr als ich vermutlich brauchen würde, aber das ließ sich nicht genau sagen. Thermosflasche, Schlafsack, Stablampe, abgehakt, abgehakt, abgehakt. Dann zurück zu Starbucks, um die Thermosflasche zu füllen.
Nachdem ich alles in den Mini gepackt hatte, rief ich Jake bei NNN an. » Kannst du das Wählerverzeichnis nach James Redfern durchsuchen lassen?«, fragte ich ihn.
» Weißt du schon, ob du ihn vielleicht kennst?«
» Nein, aber wenn ich ihn sähe, könnte das eine Erinnerung anstoßen«, log ich.
» Übrigens«, sagte er, » habe ich eine Überraschung für dich, wenn du heimkommst.«
Aber ich war zu sehr darauf fokussiert, James zu finden, um zu fragen, woraus sie bestand.
James wohnte in Hove in der Applesham Avenue, einer breiten Allee mit Doppelhäusern aus den Fünfzigerjahren. Ganz in der Nähe seines Hauses begann eine Ladenzeile. Ich parkte vor einem Geschäft für Autozubehör; von dort aus konnte ich seinen Vorgarten beobachten, ohne zu sehr aufzufallen. Das Nachmittagslicht ging rasch in eine frühe Abenddämmerung über. Ich schaltete die Scheinwerfer aus, stellte den Motor ab und bedeckte meine Beine mit dem Schlafsack. Das Außenthermometer zeigte zwei
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