zorneskalt: Thriller (German Edition)
würde«, sagtest du und fixiertest mich mit einem Lächeln, das mich erschaudern ließ. » Du hast’s immer gewusst.«
Ich stand auf, um den Tisch zu verlassen und diesem Thema zu entkommen, das du immer wieder ausgrubst. Ich dachte, du hättest inzwischen begriffen, dass ich nicht darüber reden wollte. Du hattest es schon mal versucht, nicht wahr? Erst vor wenigen Wochen während unseres Skiurlaubs. In einem der Sessellifte, in dem wir nur zu zweit saßen und uns vorstellten, er trüge uns durch die Wolken bis aufs Dach der Welt. In der reinen Bergluft hattest du das Thema angesprochen, warst lange um den heißen Brei herumgeschlichen, bevor du zur Sache gekommen warst. Dein Gesichtsausdruck sagte mir, dass meine Antwort unbefriedigend war, aber wir schnitten das Thema nicht wieder an, denn kurze Zeit später warst du auf einer schwarzen Abfahrt schwer gestürzt, und wir waren zu sehr damit beschäftigt, dich ins Krankenhaus zu bringen, um ein altes Gespräch noch mal aufzunehmen.
» Wir wissen beide, was passiert ist, Clara«, sagte ich nachdrücklich und sah sie unter meinem strengen Blick ein bisschen zurückweichen.
» Wir wissen beide die Wahrheit«, sagtest du und nahmst meine Schale in die Küche mit und kipptest den Risotto in den Mülleimer.
Diese Einzelheiten unseres Gesprächs ließ ich aus, als ich DCI Gunn und Sandra von dem Abend erzählte. Wir alle wissen, wie in der Hitze des Augenblicks gesagte Worte nachträglich aus dem Zusammenhang gerissen werden und so eine Bedeutung erhalten können, die niemals beabsichtigt war. Du kannst es mir nicht verübeln, wenn ich mich an die entschärfte Version gehalten habe.
Als Sandra und mir einige Zeit später die Gesprächsthemen ausgingen, machten wir für diesen Abend Schluss. Oben im ersten Stock führte sie mich an Jonnys Zimmer mit dem Doppelbett, in dem wir normalerweise schliefen, vorbei in den Hauswirtschaftsraum, in dem eine Campingliege aufgeschlagen war. Auf einige Privilegien hatte ich offenbar nur Anspruch, wenn auch Jonny anwesend war. Ich schlief unruhig, die Stahlfedern unter der dünnen Auflage drückten sich mir in den Rücken, und bei jedem Aufwachen huschte mir derselbe Gedanke durch den Kopf, flatterte davon, neckte mich und deutete etwas an, das ich nicht erfassen konnte. Fragmente unserer Geschichte, die ich wie ein Puzzle zusammensetzen musste.
12
Am folgenden Morgen verließ ich Sandras Haus sehr früh und war schon auf der M1, als das Dunkel der Nacht einer milchweißen, staubigen Morgendämmerung wich. Die Sonne selbst war noch nicht aufgegangen, aber ihre Vorboten – einzelne kleine Lichtblitze – trafen die Frontscheibe des Minis und ließen mich blinzeln. Der Verkehr war noch schwach, nichts konnte meine Fahrt aufhalten oder behindern, ich hatte das Gefühl, durch die Luft auf etwas Helleres in der Ferne vor mir zuzuschweben.
Als ich Westminster erreichte, spiegelte die Sonne sich in der Themse. Die Umrisse des Elizabeth Tower, des Parlaments und der umstehenden Gebäude zerschnitten den kobaltblauen Himmel. Ich fuhr über die Westminster Bridge, parkte an der South Bank, holte meine Sonnenbrille hervor, zog meinen Wintermantel eng um mich und ging, inmitten von Joggern und Anzugträgern, die zu Frühstückskonferenzen eilten, den Fluss entlang.
Seit ich dein Gesicht auf dem Polizeirevier gesehen hatte, Clara, hatte dichter Nebel meinen Kopf ausgefüllt. Ich war geblendet gewesen, hatte mir nicht überlegen können, was ich tun musste. Jetzt in der Morgenkühle begann die Betäubung von mir abzufallen. Meine Gedanken besaßen eine Schärfe, eine Klarheit, die ich seit Tagen vermisst hatte. Ich erkannte, dass ich ausgeschlossen, im Ungewissen gehalten worden war, dass der Informationsfluss über dein Verschwinden an mir vorbeigegangen war. DCI Gunn hatte Jonny öffentlich als Verdächtigen bezeichnet, ohne mich vorher auch nur anzurufen, um mich zu warnen. Und weil ich offiziell nicht mehr mit der Story befasst war, hatte ich auch keinen Zugang mehr zu vertraulichen Ermittlungsinformationen. Ich konnte mich nicht einmal mehr darauf verlassen, dass Sarah Pitts mit ihrem Schulmädchengroll mich auf dem Laufenden halten würde. So viele Teile deines Puzzles fehlten, Clara, und ich wusste, dass ich erst sie finden musste, bevor ich Jonny und dich finden würde.
Es gab nur einen Menschen, der mir vielleicht würde helfen können.
Ich saß in einem der Cafés am Fluss, bestellte einen Latte macchiato mit Sojamilch,
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