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zorneskalt: Thriller (German Edition)

zorneskalt: Thriller (German Edition)

Titel: zorneskalt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette McBeth
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Ich bin fast fertig, als ich Schritte auf dem dürren Gras höre, und dann wird mir die Gießkanne aus der Hand gerissen.
    » Was ist los mit dir?«, fragt sie. Sie steht zu dicht vor mir. » Warum machst du das?«
    » Sie sind durstig, das müsstest du doch besser verstehen als jeder andere.«
    Ihre Hände halten weiter die Gießkanne fest, aber das tun auch meine. Heute liegt etwas in der Luft, in der Sonnenhitze, das mich kühn macht. Deshalb fällt mir ein, dass man am leichtesten gewinnt, indem man etwas Unerwartetes tut. Also zerre ich kräftig daran und warte, bis sie ihre ganze Kraft einsetzt, um mir die Kanne zu entreißen. In diesem Augenblick lasse ich los, sodass sie rückwärts ins Gras fällt, während Wasser aus der Gießkanne ihr neues taubenblaues Sommerkleid durchnässt.
    » Du kleine Schlampe!«
    Ich lasse sie schwitzend und keifend im Gras liegen, spüre Adrenalin in meinen Körper schießen. Ich gehe auf mein Zimmer und schalte das Radio ein. Die Spice Girls singen » Who Do You Think You Are?«. Ich bin kein Fan von ihnen, aber ich drehe laut auf, um Niamhs Stimme und das Summen in meinem Kopf zu übertönen. Ich hebe mein Exemplar von More! vom Fußboden auf. Der Titel zeigt einen Schnappschuss von Leonardo DiCaprio bei einem Strandspaziergang mit einem honigblonden Mädchen mit langen Modelbeinen. Ich begutachte meine eigenen Beine, weiß und sommersprossig, und vergleiche sie mit denen des Models, als die Tür auffliegt und ich Niamh auf mich zustürmen sehe. Sie reißt mir die Zeitschrift aus der Hand, packt mich am Arm und verdreht ihn so heftig, dass ich ein Zerren im Gelenk spüre.
    » Verdammt noch mal, ich hab dich um einen Gefallen gebeten … um einen einzigen Gefallen, und du warst nicht mal dazu imstande. Ich schufte den ganzen Vormittag, damit alles fertig wird, und du … du gehst raus und gießt die beschissenen Blumen. Sie ist noch nicht mal da, und du hast mir schon alles verdorben, total verdorben, genau wie du immer alles verdirbst, was du jemals anpackst!«
    Unsere Nasenspitzen berühren sich fast, so dicht steht sie vor mir. Ich will zurückweichen, aber mein Hinterkopf liegt an der Wand, ich kann nicht weg, ich kann den Abstand zwischen uns nicht vergrößern. Ihre Alkoholfahne lässt meinen Magen verkrampfen.
    » Was ist los«, fragt sie, » sind dir die Worte ausgegangen?«
    In meiner Nähe summt eine Fliege. Das Fenster steht halb offen, aber sie fliegt immer wieder gegen die Scheibe, schlägt dagegen, bevor sie eine weitere Runde durchs Zimmer dreht und nochmals versucht, in die Freiheit zu entkommen. Zzzz. Das Summen vibriert in meinem Kopf. ZZZZ .
    Es ist leicht zu entkommen, ganz leicht.
    Sie brauchte nur durch das halb offene Fenster hinauszufliegen. Aber sie lässt sich von dem Glas täuschen, fällt auf diesen Trick herein.
    Dumme, dumme Fliege.
    » Also?«, kreischt sie. » Sag endlich was, verdammt noch mal!«
    Ich höre mich seufzen. Ich sehe noch immer aus dem Fenster.
    » Ich trage die Stühle raus, wenn ich so weit bin, aber ich bin noch nicht so weit.« Meine Stimme überrascht mich; sie ist so gleichmäßig und gelassen. Ich bin wie ein Schwan: unter Wasser in hektischer Bewegung, darüber majestätisch ruhig. Aber ich habe noch nicht den Mut, ihr ins Gesicht zu sehen und es zu sagen.
    Ich fordere mich selbst heraus, es zu tun, gegen sie aufzubegehren. Adrenalin spannt meine Schultern an, mein Herz schlägt bis zum Hals, mein Atem kommt flach, aber ich muss sie ansehen, ich muss einfach. Ich kann nicht immer weglaufen und der Konfrontation aus dem Weg gehen.
    Aber heute ist es anders.
    Als ich’s endlich tue, wird mir klar, wie lange ich sie schon nicht mehr richtig angesehen habe. Ich studiere sie wie ein Buch, das es zu lesen gilt. Ihr verzerrtes Gesicht erzählt so viele Geschichten von Enttäuschung, Frustration und Verbitterung. Für sie bin ich die lebende, atmende Verkörperung all dieser Geschichten. Ich sehe Jahre von vernichtenden Blicken, die leeren Augen, die mich nie lange ansehen konnten. Hätte sie nur mehr gelächelt, sich geöffnet, mich eingelassen, hätte alles anders sein können. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt ist es dafür zu spät. Alles ist zu Stein geworden.
    Ihre Augen werden glasig. Bestimmt von dem Ärger und der Wut, die in ihr hochquellen.
    Dann sehe ich etwas. Es ist so überraschend, dass alles um mich herum für einen Augenblick zu gefrieren scheint. Eine einzelne Träne läuft ihr übers Gesicht.
    Er ist so flüchtig,

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