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zorneskalt: Thriller (German Edition)

zorneskalt: Thriller (German Edition)

Titel: zorneskalt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette McBeth
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diesen Gedanken zu verdrängen.
    » Und du siehst …« Du trittst einen halben Schritt zurück, um mich zu begutachten, und schwankst dabei leicht, was mich vermuten lässt, dass der Pimm’s schon zu wirken beginnt.
    Ich sehe mich, wie du mich siehst: die verknitterte, ausgebeulte Leinenhose, weil meine Beine zu dick sind, um in einem Kleid hergezeigt zu werden. Meine blasse Haut, in der Sonne fast durchsichtig.
    » Du siehst so gut aus wie immer«, sagst du.
    Ich möchte dich fragen, was du mit » so gut wie immer« meinst, weil ich immer zu fett aussehe, Clara. Aber bevor ich dazu komme, stöckelst du auf deinen Keilabsätzen in den Garten hinaus und stellst unter Niamhs Blick die Stühle auf.
    Den ganzen Nachmittag lang kreisen die Worte in meinem Kopf, kriechen durch die Windungen meines Gehirns. Ich lege mir Argumente zurecht, feile an ihnen – alles, was ich zu dir, zu Niamh sagen will –, aber sie bleiben in meinem Kopf. Ich finde keine Gelegenheit mitzureden. In eurem Gespräch gibt es keine Lücke, in die eine dritte Person sich einklinken könnte. Niamh nimmt mich nur ein einziges Mal zur Kenntnis, als sie mir eine Kamera in die Hand drückt und verlangt, dass ich ein Foto von euch mache, wie du und sie in die Sonne lächelt. Davon abgesehen seid es nur ihr beiden, die reden und lachen und trinken. Ich bin nur eine Zuschauerin auf einem Stehplatz, die zusieht und zuhört.
    Die Stereoanlage spielt die Pretenders (von Niamhs Hitliste), die in der Hitze zu schwermütig klingen. Obwohl ich meinen Pimm’s nicht trinke, habe ich pochende Kopfschmerzen. Ich konzentriere mich auf meine Sonnenblumen, die ihre Gesichter zur Sonne erheben, und bewundere ihre Fähigkeit, in der sengenden Hitze aufrecht zu stehen.
    Ihr seid bei eurem dritten Krug Pimm’s, als ich mich unbemerkt verdrücke. Die Geräusche des Tages weichen Gesprächen unter Erwachsenen, die aus den Nachbargärten herüberdringen. Die Abenddämmerung setzt jetzt ein, Purpur- und Orangetöne haben das Blassblau des Tages abgelöst. Ich gehe nach oben in mein Zimmer, schließe die Augen und lasse mich aufs Bett sinken. Ich spüre, wie seine Weichheit meinen Körper verschluckt. Dann sitze ich eine Weile da und versuche, mein Buch zu lesen. Hundert Jahre Einsamkeit. Es ist mein Lieblingsbuch, ich habe es schon zweimal gelesen, aber obwohl ich die Handlung kenne, kann ich mich nicht auf den Text konzentrieren. Ich kann nur dein Lachen hören, das sich mit Niamhs vermengt, während ihr euch gegenseitig hochschaukelt. Du bist das Trinken nicht gewöhnt, Clara, nicht in solchen Mengen. Ich frage mich, ob du dich wirst übergeben müssen, was sicher ein hübscher Schlusspunkt für Niamhs Party wäre.
    Der Alkohol hat eine weitere Nebenwirkung, die mich noch mehr beunruhigt: Du scheinst dich meiner Mutter anzupassen. Sie verseucht dich. Ich wollte, ich könnte dich vor ihr beschützen.
    Am liebsten würde ich mein Fenster zumachen, um euch auszusperren, aber ich bekomme ohnehin kaum Luft, also muss ich zwangsweise zuhören und mir einreden, dass es mir egal ist, wenn ihr euch ohne mich amüsiert. Zuletzt siegt jedoch meine Neugier, und ich spähe fast wider Willen hinter dem Vorhang hervor, um zu sehen, was ihr Lachhaftes treibt.
    Ich sehe eine Art Scharade, bei der ihr abwechselnd mit theatralischen Gesten komische Fratzen schneidet, wie du’s manchmal tust, Clara – aber Niamh? So habe ich sie noch nie erlebt: von einer Augenblicksstimmung mitgerissen, vor Lachen zusammengekrümmt, sich Tränen aus den Augen wischend, und wie ein Kind, das gekitzelt wird, ruft sie: » Stopp, Clara, bitte!« Selbst in der Abenddämmerung nehme ich eine erstaunliche Veränderung in ihr wahr: Ungetrübte Heiterkeit scheint ihr Gesicht entkrampft, weicher gemacht, ihm Leben eingehaucht zu haben. Ihr lasst einander keine Sekunde aus den Augen. Ich bin in meinem Zimmer hinter dem Vorhang versteckt, aber ich könnte ebenso gut splitternackt mitten im Garten stehen. Ihr seid so aufeinander fixiert, dass ihr mich nicht mal sehen würdet.
    Ich lasse mich zurück aufs Bett fallen und spüre brennende Tränen auf meinen Wangen. Der Anblick von Niamhs verwandeltem Gesicht erinnert mich allzu grausam daran, was mir jetzt gestohlen wird.
    Deine Zuwendung. Deine Liebe.
    Seit jenem ersten Schultag, an dem ich mich neben dich setzte und sofort wie elektrisiert war, wusste ich, dass du Menschen zum Leben erwecken kannst, Clara. Als strahltest du eine Energie ab, eine Magie, die Menschen

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