zorneskalt: Thriller (German Edition)
wärmen. Alle Lampen in allen Räumen brannten hell. Alle Türen und Fenster waren mehrfach kontrolliert. Ich musste meine Taktik ändern. Es hatte keinen Zweck, dich aussperren zu wollen, du schafftest es immer wieder, hier einzudringen. Und jetzt lachtest du mich aus.
Und dann traf mich ein Gedanke wie ein Keulenschlag. Hattest du mich schon immer ausgelacht?
21 – 31. August 1997
Die Luft ist schwer von brütender Hitze, die einem die Haut kribbeln lässt und die Kehle austrocknet. So geht’s nun schon seit Tagen, vielleicht seit Wochen. Keiner rennt mehr, alle gehen langsam, aber trotzdem ist man zwischen den Beinen, unter den Armen schweißnass, hat auf dem Gesicht einen wie eingebrannten Schmutzfilm. Das Gras ist durstig, üppiges Grün ist zu Braun geworden. Auf den Straßen riecht es nach heißem Asphalt und verfaulenden Lebensmitteln. In den Nachrichten reden sie von einer Hitzewelle, die Boulevardpresse schreibt » Puh!«, und bei uns ist es heißer als in Kairo, Madrid, Istanbul und an fast allen anderen Orten, die wir mit Hitze in Verbindung bringen. Ich sehne mich nach Regen, dem Geruch von feuchter Erde, der Erlösung. Ich schließe die Augen und träume von einem Sommerschauer, der ohne Vorwarnung fällt und einen sekundenschnell durchnässt. Aber er kommt nicht, nicht heute, am Tag vor deinem achtzehnten Geburtstag.
Die richtige Party, die dein Dad für deine Freunde organisiert hat, findet morgen statt. Ich habe seit Wochen versucht, ihm Einzelheiten zu entlocken, aber er sagt jedes Mal nur: » Abwarten, Rachel« – mit einem schelmischen Glitzern in den Augen, das mich dazu drängt, ihn erst recht zu löchern. Neulich habe ich mich in eurer Garage von hinten an ihn angeschlichen und gesehen, dass er in Kartons mit Lichterketten und Lampions kramt. Ich habe ihn erschreckt.
» Jesus, Rachel«, rief er, dann lachte er. » Versprich mir, dass du kein Wort sagst!«
Ich nickte und schwor ihm beim Leben meiner Mutter, kein Sterbenswörtchen zu verraten. » Das bleibt unser Geheimnis«, sagte ich.
» Die sind für draußen«, erklärte er mir und zeigte auf euren riesigen Garten mit den Büschen und Bäumen. Ich konnte mir vorstellen, dass er tags darauf wie ein Zauberwald aussehen würde, wenn bei Einbruch der Nacht all die Lichter ihm Dunkeln blinkten. Dein Dad will eine Märchenwelt für dich erschaffen. Er ist eben ein großer Junge geblieben, der noch an Happy Ends glaubt.
Aber bevor die große Party steigen kann, müssen wir noch eine Kleinigkeit hinter uns bringen: das zweitklassige Grillfest, das meine Mutter heute zu deinen Ehren gibt. Ich hatte gehofft, du würdest Nein sagen, als sie es angeboten (oder genauer gesagt: darauf bestanden) hat. Vielen Dank, aber lieber nicht. Aber du hast das Gegenteil gesagt. » Das wäre großartig, Niamh.« Und du hast sie umarmt, als wäre sie die großzügigste, gütigste Frau, obwohl du genau weißt, dass sie das nicht ist. Jedenfalls gibt’s nun kein Zurück mehr; abgemacht ist abgemacht.
Das ist es, was ich nicht verstehe. Dass du mit meiner Mom besser auskommst als ich. Oder vielmehr dass sie dich mehr mag als mich. Die Aufmerksamkeit, die sie dir schenkt, wie sie aufblüht, wenn du in der Nähe bist. Sie redet mit dir, Clara, statt auf dich einzureden.
So geht es nun schon seit Wochen. Anfangs habe ich mich ermahnt, mich nicht lächerlich zu machen. Sei nicht so verdammt jämmerlich, Rachel. Aber es passiert immer wieder. Ich habe angefangen, mir Notizen zu machen – wie ein Privatdetektiv, der Beweise sammelt. Weil ein Vorfall allein wenig Beweiskraft besitzt, während alle zusammen … und der kumulative Effekt ist vernichtend.
Nur ein Beispiel: Als wir uns letzten Samstagabend » Dirty Dancing« ansehen wollten (zum zehnten Mal), ging ich in den Laden an der Ecke, um zwei Dosen Tango und einen großen Beutel Maltesers zu kaufen. Als ich zurückkam, erwischte ich Niamh und dich dabei, wie ihr zu Chrissie Hynde tanztet und sangt und die Köpfe zurückwarft wie Rockfans. Zur Scheißmusik von Chrissie Hynde! Und als du mich reinkommen sahst, hattest du nur aufgesehen, wie eine Idiotin gelächelt und weitergemacht. Du hasst diese Musik, Clara. Wir hassen sie beide, aber irgendwie schienst du das vergessen zu haben. Ich bin nach oben gegangen und habe den ganzen Beutel Maltesers allein gegessen. » Dirty Dancing« haben wir uns an dem Tag nicht mehr angesehen. Ich glaube nicht, dass du das gemerkt hast.
Es hat immer nur dich und mich gegeben,
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