zorneskalt: Thriller (German Edition)
anzieht und in ihnen den Wunsch weckt, dich nie mehr loszulassen. Ich konnte oft beobachten, wie andere Kinder versuchten, deine Zuneigung zu erringen, sich in deinem Glanz zu sonnen, aber du wandtest dich ausnahmslos von ihnen ab, und sie schlurften niedergeschlagen davon. Das machte unsere Freundschaft, machte mich umso spezieller. Und nur ein einziges Mal, in einem rauschhaften Moment an dem Abend, an dem wir Ecstasy versuchten, hatte ich mir vorzustellen versucht , w ie es wäre, wenn du dich von mir abwenden würdest.
Wenn ich dich je verlöre, würde ich mich verlieren.
Endlich verebbt das Lachen, und ich höre ihre Stimme, der Tonfall anders, harsch, die Aussprache undeutlich. » Rachel, verdammt noch mal, komm raus.« Und dann etwas sanfter: » Rachel, wo steckst du? Komm raus, und feiere mit uns.«
Ich weiß, dass ich im Bett bleiben sollte. Was will sie von mir? Aber das kann ich nicht, mich treibt ein winziger, erbärmlicher Hoffnungsschimmer an, ihr könntet vielleicht wirklich beide wollen, dass ich mitmache. Also gehe ich runter und sehe euch, die neben euch im Gras stehenden Gläser, ihr beide in Liegestühlen ausgestreckt. Deine Augen sind geschlossen. Aber Niamhs sind offen. Als sie mich sieht, setzt sie sich auf.
» Ich habe Clara ein kleines Geburtstagsgeschenk von dir gegeben.« Sie kichert und macht eine Handbewegung, und ich folge ihr mit dem Blick und sehe die Sonnenblumen als gelben Farbklecks neben deinem Liegestuhl im Gras liegen, daneben jede einzelne Iris, meine wunderschönen Iris, die in der Hitze welken. Die Pfingstrosen auf einem Haufen daneben. Alle achtlos ausgerissen. Die Blumen, die ich gewässert und gehegt und gepflegt hatte. Ich sehe zu dem Blumenbeet hinüber, am Morgen noch eine Farbenorgie, aus dessen Erde jetzt nur noch abgebrochene Stängel ragen.
» Blumen für das Geburtstagskind. Ich wusste, dass dir das recht sein würde, Rachel«, sagt sie, » und Clara findet sie herrlich, nicht wahr?«
» Jepp«, sagst du undeutlich und hebst betrunken eine Hand, als wolltest du mir zuprosten. Die normale, vernünftige und nüchterne Clara hätte das niemals geschehen lassen. Schließlich weißt du alles über meine Pflanzen und was sie mir bedeuten. Niamh hat dir so viel Alkohol eingeflößt, dass sie dich vergiftet hat. Ich habe zugelassen, dass euer Verhältnis zu eng geworden ist, und nun vernichtet sie die Clara, die ich kenne und liebe. Alles Schöne zerstört sie.
Ich bekomme keine Luft mehr. Niamh scheint meine Reaktion zu sehen, denn sie lächelt ein schreckliches Lächeln, bei dem ihre von Nikotin gelblich verfärbten Zähne zu sehen sind, und lässt ein raues, kehliges Lachen hören, auf das deines wie ein Echo folgt. Hexen unter einem brennenden Himmel. Aber du weißt nicht, was du tust, Clara. Es ist ihre Schuld.
» Willst du dich zur Abwechslung mal nützlich machen?« Sie schnappt sich den leeren Pimm’s-Krug vom Tisch und schwenkt ihn in meine Richtung.
Das Feuer in meinem Bauch brennt schon den ganzen Tag lang, aber dieses Lachen facht es zu einer Feuersbrunst an. Ein letzter Blick auf die Sonnenblumen, die Iris, die Pfingstrosen, und – wusch! – durchtobt sie mich, verzehrt mich. Ich bekomme eine Gänsehaut, aber nicht von Kälte, sondern von der Hitze. Die Flammen sind in meiner Kehle, in meinem Kopf. Ich kann dieses Feuer nicht beherrschen. Es beherrscht mich.
Ich nehme den Krug, gehe in die Küche, stelle ihn dort vorerst ab. Ich überlege angestrengt – Ich will, dass sie den Mund hält, ich will sie nicht mehr hören, ich muss dich vor ihr schützen – und frage mich, wie ich sie zum Schweigen bringen, wie ich sie wenigstens für einige Zeit außer Gefecht setzen kann. Und dann habe ich eine Idee und renne nach oben. Ich bin im Bad, und dort liegen sie vor mir. Zwei rechteckige Streifen – wie ein Wink des Schicksals. Ich nehme einen davon in die Hände, spüre die Blisterpackung kühl an meiner heißen Haut. Die Tabletten, die Niamh braucht, um schlafen zu können. Aus der Packung fehlt nur eine, was bedeutet, dass noch elf da sind. Ich werde nicht alle benutzen, nur ein paar.
Ich bin wieder in der Küche, drücke eine Tablette nach der anderen durch die Folie. Mit einem Löffel zerdrücke ich sie in der Handfläche. Ich habe keine Eile. Dann habe ich ein Häufchen weißes Pulver vor mir. Ich mixe einen Krug Pimm’s mit Wodka und gieße ein Glas für dich und eines für Niamh ein. Und in ihres löffle ich das weiße Pulver. Ich beobachte,
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