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zorneskalt: Thriller (German Edition)

zorneskalt: Thriller (German Edition)

Titel: zorneskalt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette McBeth
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auch noch aufheben muss. Auf dem Nachttisch stehen halb volle Kaffeetassen mit Milchhaut, dazwischen liegen leere Blisterpackungen von Schlaftabletten. Ich nehme sie mit und werfe sie in den Mülleimer.
    Weil die Todesursache unklar ist, wird eine Obduktion angeordnet. » Reine Routine«, erklärt mir die für mich zuständige Polizeibeamtin, kein Grund zur Sorge. Und ich mache mir keine. Meiner Ansicht nach hat Niamh exzessiv getrunken, bis ihr Körper schlussendlich nicht mehr konnte. Das war die Todesursache. Bestimmt werden bei der Obduktion eine Leberzirrhose und im Blut ein Schlafmittel in hoher Konzentration festgestellt. Perfekte Voraussetzungen für ein Organversagen.
    Wir erzählen uns alles, nicht wahr, Clara? Kein Geheimnis ist zu groß, keine Wahrheit zu bedrückend. Wir urteilen nicht. Wir hören zu, wir verstehen. Deshalb erzähl ich’s dir in der Woche nach ihrem Tod.
    Der Tag beginnt gut – mit einem Anruf deines Dads: » Kannst du aushelfen?« Atemlos ist er. In Eile, denke ich. Läuft mit von der Dusche noch nassem Haar durchs Haus und verbreitet den Duft seines Rasierwassers, mit dem wir ihn necken, obwohl ich seine Zitrusfrische insgeheim liebe. (Es heißt Issey Miyake. Das weiß ich, weil ich es eines Tages im Bad neben seinem Schlafzimmer entdeckt habe.) Jedenfalls sagt er, du kämst nicht gut damit klar. » Ich bin den ganzen Tag im OP , Rachel, kannst du kommen und dich ein bisschen um sie kümmern?«
    Ich frage mich, ob es irgendjemanden gibt, der deinem Dad etwas abschlagen kann, wenn er einen ins Vertrauen zieht, einem so das Gefühl gibt, etwas ganz Besonderes zu sein, als wäre man als Einzige imstande, die von ihm gestellte Aufgabe zu lösen. Im Beruf stelle ich ihn mir in steriler Kleidung im OP vor, in dem er ein Heer von Schwestern und untergeordneten Ärzten kommandiert. Und seine kühlen, ruhigen Hände wissen genau, was sie zu tun haben.
    » Ja, natürlich«, erkläre ich ihm, und er sagt: » Du bist ein Goldstück, Rachel«, worüber ich lächeln muss, weil es so dankbar klingt.
    Um halb elf bin ich in eurem Haus, und wir sitzen in der Küche, verstecken uns vor der weißen Hitze draußen. Das Wetter besitzt längst keinen Nachrichtenwert mehr. Leute überqueren die Straße, um Schatten zu finden, huschen in Geschäfte, um sich von Klimaanlagen anblasen zu lassen. Gestern habe ich bei Sainsbury’s den Kopf in den Schrank mit Tiefkühlerbsen gesteckt. Ich hatte nicht vor, welche zu kaufen. Ich hasse Erbsen. Ich musste nur meinen Kopf kühlen.
    Aber du siehst aus, als hättest du die Sonne schon sehr lange nicht mehr gesehen. Tatsächlich schockiert mich deine Erscheinung: Dein Haar ist fettig, du wirkst kleiner, als wärst du in einer Woche um zwei Kleidergrößen geschrumpft. Weil ich dich aufmuntern möchte und nicht glaube, dass das gelingt, wenn wir über Niamh reden, mache ich alle möglichen Vorschläge. Komm, wir legen Musik auf. Willst du MTV sehen? Warum fahren wir nicht in die Stadt? Selbst als ich den heißesten Klatsch erzähle, der die Runde macht – Shelly Peters hat Simon Dunstan am Wochenende flachgelegt –, zeigst du keine Reaktion.
    Niamh ist tot, und sie steht weiter zwischen uns.
    » Ich glaube, es war meine Schuld«, sagst du. Wir sind ins Wohnzimmer hinübergegangen, sitzen nebeneinander auf dem Sofa. Dein Vater hat Geschmack, das muss man ihm lassen. Die Wände sind in gebrochenem Weiß gehalten, an den richtigen Stellen setzen geschmackvolle Gemälde farbige Akzente. Und es gibt viele Fotos, die dich allein oder mit ihm zeigen. Es gibt sogar eines, auf dem du und ich im Garten hinter eurem Haus unter einem Baum sitzen. Er hat es mit meiner Kamera gemacht, und ich habe die Aufnahme gerahmt und sie ihm letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt und vorgeschlagen, sie in die Fotogalerie aufzunehmen.
    Ich nehme einen kleinen Schluck Eistee, den ich mitgebracht habe, weil er dein Lieblingsgetränk ist.
    » Wie kommst du darauf?«, frage ich.
    » Ich habe ihr die Schlaftabletten gebracht.« Deine Unterlippe zittert, und deine Augen füllen sich mit Tränen. Das ist schmerzhaft anzusehen, als wärst du mit Niamh verschwunden. » Ich denke immer, sie würde vielleicht noch leben, wenn ich sie ihr nicht gegeben hätte.«
    Ich möchte dir sagen, dass sie all diese Schuldgefühle, diesen Kummer nicht wert ist. Stattdessen sage ich: » Du darfst dir keine Vorwürfe machen. Es war ihre Schuld, nicht deine.« Ich rücke etwas näher an dich heran, um dich zu

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