zorneskalt: Thriller (German Edition)
wie es oben schwimmt, und rühre um. Immer wieder, bis es verschwindet. Dann fülle ich das Glas mit Wodka auf.
Das Gras unter meinen Füßen ist kühl, als ich durch den Garten auf euch zugehe. Als Erstes gebe ich dir dein Glas, das du mit halb geschlossenen Augen entgegennimmst. Und dann gebe ich Niamh ihres.
» Endlich«, sagt sie.
Endlich, denke ich.
Ich bin wieder in der Küche, sehe sie gierig trinken. Ich sehe, wie jeder Schluck ihr durch die Kehle rinnt. Einer nach dem anderen. Sie hat Durst, so brennenden Durst, der gelöscht werden muss. Und dann ist das Glas leer.
Vom Fenster meines Zimmers aus hörte ich euch noch eine Weile schwatzen, höre undeutlich gesprochene Worte und in der Luft hängende unfertige Sätze. Kurze Zeit später sehe ich, wie sie sich aus dem Liegestuhl hochstemmt. Du stehst ebenfalls auf. » Zeit fürs Bett«, sagt sie, und du murmelst irgendetwas Zustimmendes. Du folgst ihr nach oben. Und dann bittet sie dich, ihr die Schlaftabletten aus dem Bad zu bringen. Du gehst und kommst ein paar Minuten später zurück, um sie ihr zu geben.
» Danke«, höre ich Niamh sagen. » Gute Nacht, Geburtstagskind.« Dann folgt der Schmatz eines Küsschens auf die Wange, aber Niamh ruiniert diesen Augenblick. Ich höre, wie sie über irgendetwas stolpert und in ihr Schlafzimmer torkelt. Ich glaube, sie ist zu betrunken, um weitere Tabletten einnehmen zu können.
Zehn Minuten später komme ich auf dem Weg ins Bad, wo ich mir die Zähne putzen will, an ihrem Schlafzimmer vorbei. Die Tür steht weit offen. Niamh liegt vollständig bekleidet quer über dem Bett. Neben ihr liegt die Blisterpackung, aber ich kann nicht sehen, ob sie leer ist oder nicht, und nachdem nun endlich Stille herrscht, will ich nichts tun, um sie zu zerstören.
Am folgenden Morgen wache ich auf, als du mich an der Schulter rüttelst. Ich rieche deinen Atem, bevor ich die Augen öffne, ranzig und mit Alkohol getränkt. Du zerrst an meinem Arm. Für einen kurzen Augenblick vergesse ich den gestrigen Abend.
» Sie hat gekotzt«, sagst du, Panik in der Stimme, und dann fällt mir alles wieder ein, ich springe aus dem Bett und laufe ins Zimmer meiner Mutter hinüber. Ich stehe über ihrem Körper, der unter der sonnengebräunten Haut kalt und blass ist. Auf dem Kopfkissen sehe ich Erbrochenes, rot von Pimm’s, und halb verdauten Salat. Ich wusste ja, dass so viele Salate keine gute Idee waren. Du kreischst, deine Schreie werden von den Wänden zurückgeworfen, durchbohren meinen Schädel. Ich bin das Kind, das sich eine Decke über den Kopf zieht, während es einen Gruselfilm sieht. Ich will nicht hinsehen, kann aber nicht anders. Dagegen bin ich machtlos.
Sie liegt reglos da, ganz still und starr, und ich trete leise auf sie zu, bin aber darauf gefasst, dass sie plötzlich aufspringt und mich anschreit. Ich schleiche mich an, weil ich weiß, dass ich nach ihr sehen, etwaige Lebenszeichen suchen muss, aber der Gestank ist überwältigend. Ich halte mir einen Ärmel vor die Nase, dann bin ich bei ihr. Ich ergreife ihr Handgelenk und versuche, ihren Puls zu ertasten, genau wie sie’s im Fernsehen machen. Nichts. Ich beobachte ihre Brust, suche nach Anzeichen dafür, dass darin noch schwach ein Leben schlägt. Nichts.
Ich spüre ein Kribbeln, erst im Kopf, dann in den Armen. Ich zittere am ganzen Leib, denn ganz gleich wie sehr man seine Mutter nicht gemocht hat, ist es ein gewisser Schock, sie morgens in aller Frühe kalt und tot daliegen zu sehen. Und dann spüre ich inmitten von Angst und Schock so etwas wie eine kühle Brise bei brütender Hitze. Sie wird mich nie mehr verletzen. Sie wird nie mehr mit mir reden oder mich ansehen, als wäre ich ein Stück Scheiße an ihrer Schuhsohle. Ich muss nicht mehr ihre Tochter sein. Ich bin sie auf ewig los. Ab diesem Augenblick befällt mich eisige Ruhe, und ich habe das Gefühl, mein Leben besser unter Kontrolle zu haben als je zuvor. Köstliche Erleichterung darüber, dass sie tot ist, brandet über mich hinweg und löscht die Glut des Feuers von gestern Abend.
Der Krankenwagen ist unterwegs, und du schluchzt noch immer. Ich versuche, praktisch zu denken. Niamh ist (war) furchtbar schlampig, und das sieht man in ihrem Schlafzimmer. Die Luft ist schlecht: heiß und stickig und voller Alkoholdunst. Ich öffne ein Fenster, um zu lüften. Verknitterte Kleidungsstücke liegen auf dem Teppich verstreut, aber zum Glück trägt sie noch die Unterwäsche von gestern, sodass ich die nicht
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