Zu einem Mord gehoeren zwei
konnte nicht nur seine Schulden bezahlen, sondern sich auch nach neuen Krediten umsehen und seine Werbung intensivieren.
«Hallo, Pannicke!» rief er seinem Prokuristen zu, der hingegeben aus dem Fenster guckte und die Bauarbeiten am Mehringplatz verfolgte. «Stellen Sie den Sekt schon kalt – heute kommt der warme Regen!»
Pannicke fuhr herum. Seit über vierzig Jahren diente er der Firma Gustav Tomaschewski; 1929 hatte er hier als kaufmännischer Lehrling begonnen. Er gehörte einer Generation an, die die hierarchische Ordnung der Welt begrüßte und akzeptierte. Man wußte, wo man hingehörte; Unterordnung bedeutete Sicherheit. Die Arbeit hatte ihm immer Spaß gemacht; oft war er bis Mitternacht im Büro geblieben, um das sinkende Schiff wieder flottzumachen. Mit seinem Fleiß hatte er das auszugleichen versucht, was dem jungen Tomaschewski an Entscheidungsfreudigkeit, Fingerspitzengefühl und Fortune fehlte. Doch jetzt spielte sein Kreislauf nicht mehr so recht mit; die Unterfunktion seiner Schilddrüse machte ihn lustlos und schläfrig.
Tomaschewski mochte ihn, weil er ihn irgendwie an seinen Vater erinnerte.
«Dann kommt also Ihr Onkel wirklich?» fragte Pannicke, noch immer etwas ungläubig.
«Na, wenn ich’s Ihnen sage! Er muß gleich hier sein.»
Tomaschewski ging ins Chefzimmer hinüber und nahm unter dem Porträt des Firmengründers Platz. Fräulein Meyerhoff, seine Sekretärin, hatte schon Cognac, Whisky und Zigarren bereitgestellt.
Minutenlang ruhte sein Blick auf dem blaßgrünen Stahlschrank, der gleich neben der dick gepolsterten Tür vor der holzgetäfelten Wand stand. Seit gestern abend lag in seinem Innern eine braune Aktentasche, die mit neunzigtausend Mark gefüllt war. Natürlich nicht die Tasche, die er in der Bank benutzt hatte. Er war entgegen sonstigen Bräuchen der einzige, der die Zahlenkombination des Schlosses kannte, und so bestand keine Gefahr, daß das Geld dort im Panzerschrank vorzeitig entdeckt wurde. Nachdem er Feuerhahn in seine Villa gebracht hatte, war er noch einmal ins Büro gefahren, um das Geld hier zu deponieren.
Es klopfte, und Fräulein Meyerhoff kam herein. Karin Meyerhoff, blond, blauäugig und recht niedlich.
«Das Mädchen Carina…» summte Tomaschewski. Sie verehrte ihn und fügte sich all seinen Wünschen. Er besuchte sie ein-, zweimal im Monat, wenn ihre Eltern ausgegangen waren, um, wie er es ausdrückte, in Form zu bleiben, ohne sie indes zu lieben. «Wie geht’s denn, mein Schatz?»
«Danke, gut. Du, der Alte ist im Anrollen!»
«Na, Gott sei Dank! Sei lieb zu ihm und laß ihn rein…»
«Willst du ihm nicht entgegengehen?»
«Was…? Ach so, ja. Wird wohl besser sein.» Tomaschewski erhob sich schwerfällig und ging ins Vorzimmer hinaus. «Hallo, Onkel John!»
«Hallo, Tommy!»
Tomaschewski zuckte zusammen, als hätte man ihm einen glühenden Dorn in den Rücken getrieben. Woher zum Teufel kannte der Alte seinen Spitznamen aus der Schulzeit? Ob er ihn damals mal aufgeschnappt hatte? Aber ein so gutes Gedächtnis war ihm nicht zuzutrauen. Ein Zufall? Hm… Zum Glück hatte Karin nichts gehört.
«Du scheinst dich ja nicht sonderlich zu freuen», bemerkte Shaeffy.
«Doch – sehr!» Tomaschewski küßte ihn spontan auf die Wange, empfand es im gleichen Augenblick als übertrieben und peinlich und trat einen Schritt zurück.
«Hier – zähl erst mal das Geld nach und schließ es weg.» Shaeffy stellte einen eleganten Aktenkoffer auf den Schreibtisch und entnahm ihm zwei Bündel mit Tausend-Mark-Scheinen. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß sie allein im Zimmer waren, blätterte er sie mit Grandezza auf den Tisch.
«Vierzigtausend», bestätigte Tomaschewski. «Herzlichen Dank… Ich habe den Vertrag schon schreiben lassen. Hier, wenn du bitte lesen willst…» Er zog einen eng beschriebenen DIN-A4-Bogen aus dem Wertfach seines massigen Schreibtisches und reichte ihn seinem Onkel hinüber. Dann, während der alte Mann las, schloß er die vierzigtausend Mark in den Stahlschrank.
«Okay», sagte Shaeffy nach einigen Minuten. «Ich lasse dir das Geld ein Jahr lang zinslos, dann bekomme ich vier Jahre lang fünf Prozent. Das sind Bedingungen, die es auf der ganzen Welt kein zweites Mal gibt. Du kannst glücklich sein, daß ich in der Lage bin, mein Geld auf solche Art und Weise zu verschenken. Aber ich helfe ja gern – und schließlich bist du der Sohn meines Bruders… Naja.» Er goß sich einen Whisky ein und stürzte ihn
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