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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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es nicht doch etwas nützen könnte. Quid hic statis otiosus?»
    «Bitte…?» Mannhardt hatte das Gefühl, immer kleiner zu werden, zu einem Abc-Schützen zusammenzuschrumpfen.
    «Was stehst du hier müßig?» übersetzte Dr. Weber. «Verzeihung – ich duze Sie nur um der übersetzerischen Genauigkeit willen.»
    «Wir müssen einen Augenblick warten, weil… Also, da ist eine Frau bei uns aufgetaucht, die sagt, sie ist die Mutter – das heißt, ihr Sohn sei in Hermsdorf entführt worden. Ich… Wir…» Mannhardt verhaspelte sich immer weiter und gab erst einmal auf.
    Dr. Weber steckte sich mit Grandezza eine Zigarette an. «Die wievielte Mutter ist es denn?» fragte er ein wenig süffisant.
    «Die zweite erst. Aber ich habe so das Gefühl, daß es stimmt. Wir lassen gerade Grabowski holen – das ist der Bankkassierer –, damit er sich mal die Fotos ansieht, die Frau Feuerhahn mitgebracht hat. Feuerhahn heißt sie…»
    «Setzen Sie sich doch, Herr Mannhardt.»
    «Danke sehr, Herr Doktor!» Mannhardt fing sich langsam. Aber zugleich wuchs auch seine Bitterkeit.
    Er hatte von allem zuwenig – zuwenig Geist, zuwenig Geld, zuwenig Beziehungen. Er wünschte sich nach Hause auf seine Terrasse, Fontanes Irrungen Wirrungen in der Hand. An dem Schnittpunkte von Kurfürstendamm und Kurfürstenstraße, schräg gegenüber dem «Zoologischen», befand sich in der Mitte der siebziger Jahre noch eine große, feldeinwärts sich erstreckende Gärtnerei … Ja, ja, sein Gedächtnis war noch das Beste an ihm. Lene und Botho. Zu Befehl, Herr Rittmeister! Er, der kleine Kriminalbeamte Hans-Jürgen Mannhardt, war hundert Jahre zu spät auf die Welt gekommen, und außerdem hatte er sich noch den falschen Vater ausgesucht. Lesen war Träumen, und Träumen war Leben. Er empfand seine eigene Existenz zuweilen als so jämmerlich, daß er sich in andere – selbsterdachte oder von Dichtern vorgedachte – Figuren hineinversetzen mußte, um sie zu ertragen. Mein Gott, mit welchen Idealen war er doch angetreten, und nun war er ein durch und durch angepaßter Bürger mit Haus und Auto, der denjenigen diente, die ihm einige Krumen vom großen Kuchen hinwarfen. Und sagen, was er dachte, durfte er auch nicht. Immer die Fahne nach dem Wind hängen, Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, immer die Autorität respektieren und das Eigentum. Bürger, schützt eure Millionäre! Hoffentlich gelang es ihm noch, bis zur Pensionierung den Mund zu halten. Aber bis dahin waren es noch fünfundzwanzig Jahre und mehr. Was könnte er für ein zufriedener Mensch sein, wenn ihm sein roter Großvater keinen revolutionären Floh ins Ohr gesetzt hätte. Aber nun war er mal in der Wolle gefärbt, und es ging nicht mehr raus. Doch wenn er ehrlich war, dann haßte er die bürgerliche Gesellschaft vor allem, weil er nichts weiter geworden war als ein kleiner Beamter, er haßte sie, und dennoch hatte er einen Beruf ergriffen, in dem er verpflichtet war, seine Kraft und im Bedarfsfall sein Leben für die Stabilisierung dieser Gesellschaft einzusetzen. Jetzt wurde ein gewaltiger Apparat in Gang gesetzt, um einen Mann zur Strecke zu bringen, der neunzigtausend Mark geraubt hatte – aber diejenigen, die neunzig Millionen verdienten, indem sie andere übers Ohr hauten, bekamen den Segen von oben und noch einen Orden dazu. Schön, dieser Mann hatte einen Menschen niedergeschossen. Aber viele, die Dutzende von Menschen auf dem Gewissen hatten, waren heute geachtete Bürger und hochbezahlte Würdenträger… Aber was sollten diese dummen Gedanken des kleinen Beamten Hans-Jürgen Mannhardt schon – sie veränderten die Welt auch nicht. Menschen seiner Preisklasse waren austauschbar wie Glühbirnen.
    «Die Frau ist Sekretärin beim Senat, vielleicht Anfang der Sechzig. Ihr Sohn heißt Günther, Günther Feuerhahn. Sie ist gerade von ihrer Schwester aus Hamburg gekommen. Der Sohn war die Nacht über nicht zu Hause.»
    «Der wird irgendwo Geschlechtsverkehr gehabt haben. Was sagt denn seine Freundin?»
    «Freundin? Der hat eine ganze Latte. Aber Frau Feuerhahn sagt, sie hat bei allen angerufen – nix. Sie hat alle Zeitungen gelesen und ist sicher, daß ihr Sohn entführt worden ist. Sie schluchzt, daß einem selber die Tränen kommen.»
    «Hat denn ihr Sohn einen Freund, der auf den Namen Thomas hört?»
    «Auch das! Thomas Schwarz soll er heißen.»
    «Bei uns in der Kartei?»
    «Nein.»
    «Wenn die Frau recht haben sollte, den Mann gleich unter die Lupe

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