Zu einem Mord gehoeren zwei
Spuren – nichts!»
«Ut desint vires, tarnen est laudanda voluntas», lächelte Dr. Weber. «Wenn auch die Kräfte fehlen, ist dennoch der Wille zu loben –Ovid… Kommen Sie, vielleicht ist der Bankbeamte inzwischen eingetroffen.»
Sie gingen ins Vernehmungszimmer hinüber, wo Koch versucht hatte, Frau Feuerhahn zu unterhalten und abzulenken. Sie erzählte gerade Episoden aus dem Leben ihres Sohnes und ließ sich auch durch die beiden Männer nicht stören.
«Einmal, da war er gerade elf Jahre alt – es war kurz nach dem Krieg –, da hat er mein Erspartes aus der Schublade genommen. Lauter alte Reichsmarkscheine, nicht viel, aber für eine alleinstehende Frau wie mich eine ganze Menge Geld. Wie er das Versteck gefunden hat, weiß ich bis heute nicht. Und wissen Sie, was er mit dem Geld gemacht hat? Er hat es an seine Klassenkameraden verteilt. Da war er plötzlich der König. Und das schönste ist, ich habe es zuerst gar nicht bemerkt. Da spricht mich doch eines Tages ein Freund von ihm auf der Straße an und beklagt sich, daß er keinen einzigen Pfennig abbekommen hätte: ‹Alle anderen haben was gekriegt, nur ich nicht… › Ich kann Ihnen sagen, mein Günther, das war schon eine Marke!»
Erst als man ihr Dr. Weber vorstellte, begann sie wieder zu weinen.
«Er ist bestimmt schon tot», schluchzte sie. «Der hat ihn längst erschossen…»
«Bitte, beruhigen Sie sich doch, Frau Feuerhahn!» Mannhardt ärgerte sich über seine Hilflosigkeit. Er hatte auch immer Schwierigkeiten, wenn Lilo weinte… Weiber! «Wir holen ihn lebend heraus, das garantiere ich Ihnen.»
«Das können Sie doch gar nicht…»
«Doch, kann ich!»
«Jetzt bin ich ganz allein auf der Welt. Erst mein Mann und jetzt mein Sohn…!»
«Er lebt doch noch, Frau Feuerhahn, ganz bestimmt!» Mannhardt verfluchte sich, weil er nicht wie jeder hergelaufene Priester mit geschraubten Wendungen warmherzigen Trost spenden konnte. Er war ein Versager, ein Armleuchter, ein Blödmann. Da hockte er nun und war unfähig, die jammernde Frau zu beruhigen. So tölpelhaft und hilflos war er sich selten vorgekommen.
In diesem Augenblick brachte ein blaugrau gekleideter Schutzpolizist den etwas verängstigten Bankbeamten herein. Mannhardt stellte ihn Dr. Weber und Frau Feuerhahn vor und bat ihn dann, sich die drei Fotografien genau anzusehen.
«Hm, danke…» Grabowski nahm sie in die Hand und setzte sich etwas umständlich die Brille auf.
«Na?» fragte Mannhardt ungeduldig.
«Das ist er!» rief Grabowski. «So wahr ich hier stehe, das ist er!»
«Mein Gott, nein!» schrie Frau Feuerhahn. «Das darf nicht wahr sein, nein, nein!»
Mannhardt konnte sie gerade noch auffangen.
7
HANS-JOACHIM TOMASCHEWSKI
Tomaschewski schob einen Teller mit holländischem Frühstücksfleisch und eine rechteckige Milchtüte unter der Gittertür hindurch und wartete, bis Feuerhahn sich schwerfällig von seiner Couch wälzte, um die kärgliche Ration in Augenschein zu nehmen. Tomaschewski hatte keineswegs vor, Feuerhahn hungern oder gar verhungern zu lassen; er fürchtete nur, irgendwer könnte auf Grund seines plötzlich gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs Verdacht schöpfen. Die ganze Stadt suchte ja mit hysterischem Eifer nach dem Entführten von Hermsdorf, und wenn er den Zeitungen trauen durfte, dann hatten schon viel nebensächlichere Beobachtungen peinliche Befragungen durch die Kripo ausgelöst.
Feuerhahn hockte schon wieder auf der flachen, vielfach zerschlissenen Couch, deren ehemals weinroter Bezug die Farbe von gerade geronnenem Blut angenommen hatte. Er schlang das Frühstücksfleisch hinunter, als hätte er tagelang nichts zu essen bekommen. Sein Schmatzen ging Tomaschewski ein wenig auf die Nerven.
Tomaschewski saß auf einem dreibeinigen Schemel vor der festverschlossenen Gittertür. Er beobachtete Feuerhahn mit einem kühlen, wissenschaftlichen Interesse, fast wie ein seltenes Tier, dessen Lebensgewohnheiten es für eine angesehene Fachzeitschrift festzuhalten galt.
Feuerhahn stellte den Teller auf den Boden.
«Na, hat’s geschmeckt?» fragte Tomaschewski. Ihm war, als hätte er eine straffgespannte Papierwand durchstoßen. Etwas in seinem Innern zwang ihn, sich mit Feuerhahn zu unterhalten, obwohl er wußte, daß es nach einem Gespräch noch schwerer sein würde, den ehemaligen Freund zu töten… Rede ich mit ihm, weil ich’s hinausschieben will? Aber es muß doch sein…
«Danke…» Feuerhahn sah hoch. «Weiß man schon, daß
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