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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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ich’s bin, den es erwischt hat?»
    «Ich glaube nicht…» Tomaschewski spielte mit einem Drahtende, das aus der weiß gekalkten Wand des rechteckigen Vorraums heraushing, und bog bizarre Gebilde. Wenn man doch bloß die Zeit zurückdrehen, wenn man doch nur alles ungeschehen machen könnte! Warum gab es denn diese Chance nicht?
    «Lebt der Bankbeamte noch?» fragte Feuerhahn. Er sprach ruhig, fast ein wenig desinteressiert.
    «Ja. Aber es geht ihm nicht besonders…» Tomaschewski wunderte sich, wie ergeben Feuerhahn sein Schicksal hinnahm. Es sah fast so aus, als ob er noch einen besonderen Trumpf in der Hand hatte. Was mochte er im Schilde führen? Wie wenig er sich doch in all den Jahren verändert hatte.
    Feuerhahn stand auf und kam auf die massige Gittertür zu. In Höhe seiner Ohren umklammerte er mit beiden Händen die am weitesten auseinanderliegenden Stangen und blickte mit geröteten Augen auf Tomaschewski hinunter. Er sah mächtig und furchteinflößend aus, und Tomaschewski tastete instinktiv nach dem Griff seiner Beretta.
    «Wie lange soll denn der Spaß noch dauern?» fragte Feuerhahn.
    «Ich weiß nicht…» Tomaschewski war müde und hilflos. Er sehnte sich danach zu schlafen – lange und tief zu schlafen… Plötzlich hatte er ein Bild vor Augen, das ihm gefiel. Er sah sich in einem Altersheim sitzen, in einem Schaukelstuhl, umsorgt von sauberen Schwestern, einen Heimatroman auf den Knien, in dem er ab und an las. Die Welt vor seinem frisch geputzten Fenster interessierte ihn nicht mehr; es gab keine Probleme mehr zu lösen, das taten andere für ihn. Alles war heitere, besonnte Vergangenheit. Seine vielen Ängste waren nur noch harmlose Erinnerung, die Ängste, die ihn in seinen Augen so unmännlich machten.
    «Hast du das Geld für die Firma gebraucht?» wollte Feuerhahn wissen.
    Tomaschewski nickte langsam. Das Du hatte ihn getroffen; er spürte den Druck hinter den Augäpfeln, wie immer, wenn er verzweifelt und beschämt war. Mühsam unterdrückte er den Impuls zu sagen: Ich kann nicht mehr! und dann zu weinen. Er erinnerte sich an eine Szene aus dem Film Krieg und Frieden: Die geschlagenen Soldaten Napoleons marschieren im Schneesturm nach Westen zurück. Und immer wieder sinkt einer der zerlumpten Männer in den Schnee und gibt auf, läßt sich fallen, um den Tod zu erwarten, der besser ist als die Qual… Tomaschewski spürte geradezu, wie es sein würde, sich in den Schnee zu werfen und den winzigen Augenblick der erlösenden Ruhe zu genießen.
    «Weiß Susanne davon?» fragte Feuerhahn.
    «Susanne?» Tomaschewski lachte heiser. «Wir leben doch schon die ganze Zeit getrennt. Sie wohnt in Wilmersdorf…» Feuerhahn wollte offenbar um jeden Preis eine längere Aussprache in Gang bringen, und das amüsierte ihn. Zugleich bedrückte ihn der Gedanke an Susanne. Sie hatte schon recht: Er war ein Schwächling. Ein Versager. Er hatte nie die Kraft besessen, die Dinge in den Griff zu bekommen; er hatte sich immer treiben lassen und darauf vertraut, daß ihn der Strom der Dinge an die richtige Stelle bringen werde. Er hatte immer nur auf etwas reagiert.
    «Wie stellst du dir denn vor, wie es weitergehen soll?» fragte Feuerhahn mit anklagender und barscher Stimme. Er sprach wie ein Vorgesetzter, der einen Untergebenen wegen einer Unterlassung zusammenstaucht. «Du kannst mich doch nicht für immer und ewig hier unten einsperren – das fällt doch eines Tages mal auf!»
    «Was soll ich denn machen? Wenn ich dich laufenlasse, kann ich doch gleich einpacken. Du wirst doch nichts weiter zu tun haben, als zum nächsten Polizeirevier zu rennen und mich anzuzeigen.»
    «Quatsch! Ich brauche ebenso dringend Geld wie du. Vielleicht noch dringender… Ich hab mehr Schulden als Haare auf dem Kopf. Über dreißigtausend Mark – und jeden Monat kommt was dazu. Glaub mir doch: du brauchst mir nur was abzugeben, und ich halte den Mund! Ich bin doch immer noch dein Freund!»
    Tomaschewski lachte auf. «Auf den Trick fall ich nicht rein! Du meinst wohl, ich lasse mich für dumm verkaufen? Nee, mein Lieber! Der Polizei erzählst du nachher, du hättest das nur gesagt, um hier herauszukommen!»
    Feuerhahn stöhnte. «Für dreißigtausend Mark würde ich auch den Mund halten, wenn es um ganz was anderes ginge!»
    Tomaschewski dachte nach. Ganz so unrecht hatte Feuerhahn gar nicht. Daß er Schulden in dieser Höhe hatte, war ihm durchaus zuzutrauen – er war ja schon immer ein Windhund gewesen… Andererseits

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