Zu einem Mord gehoeren zwei
geklungen, daß Mannhardt ihm die Wahrheit brutal ins Gesicht sagte: «Sie liegt im Krankenhaus Wilmersdorf – tot. Ganz übel zugerichtet.»
Feuerhahn fuhr herum und starrte ihn an, aber das überlegene Lächeln wich nur langsam aus seinem Gesicht.
«Ich habe eben immer Pech», sagte er dann, und Mannhardt spürte nicht mal den Anflug von Schmerz in seiner Stimme. «Sie halten mich für herzlos, ich weiß. Vielleicht heule ich auch noch, später mal, aber hier nicht, den Gefallen tue ich Ihnen nicht. Sie wissen ja, was los ist… Sagen Sie mal selber: Lohnt es sich wirklich, Susanne eine Träne nachzuweinen?»
Mannhardt zog sich ins Formelle zurück. «Ich stelle hier die Fragen!»
«Sie können mir aber noch sagen, wie’s passiert ist.»
«Sie ist geflüchtet. Wir haben sie verfolgt. Am Fehrbelliner Platz… die U-Bahnbaustelle; da ist sie gegen einen Autokran gerast. War auf der Stelle tot.»
«War es… Absicht?»
«Woher soll ich das wissen? Da kann man nichts mehr rekonstruieren. Es kann ebensogut ein Unfall gewesen sein.»
«Arme Sue!»
Mannhardt konnte sich kein Bild davon machen, was in Feuerhahn vorging. War er nur beherrscht, oder war er kalt und zynisch?
Straßenschilder flogen vorüber. Tempelhofer Damm, Alt-Tempelhof, Berlinickeplatz, Schöneberger Straße, Sachsendamm; sie rollten unter der viaduktähnlichen S-Bahnbrücke hindurch.
Susanne. Sue… Ihr Tod hatte ihn mehr geschockt als Feuerhahn. Vielleicht sollte man Feuerhahn beneiden… Beneiden? Er hatte Tomaschewski ermordet und mußte einer lebenslangen Gefängnisstrafe entgegensehen. Was nutzte es ihm schon, daß sich seine Seele mit einer Hornhaut überzogen hatte.
Sie hatten gesehen, wie Susanne gegen den gelben Autokran gerast war. Hatte sie übersehen, daß die Straße im Slalom durch die Baustelle führte? Hatte sie bei ihrer überhöhten Geschwindigkeit den Wagen nicht mehr rechtzeitig herumreißen können? Oder hatte sie den schnellen Tod gesucht?
Die Schuld, daß alles so gekommen war, lag allein bei ihm. Ohne seine Initiative würde sie jetzt in ihrem Bett liegen, in eine Wolke von My Sin gehüllt, und von einer sonnigen Zukunft träumen – eine Mörderin zwar, aber eine wunderbare Frau, der man verzeihen mußte, daß sie das Notwendige getan hatte. Er war ein Idiot. Anstatt den Dingen ihren Lauf zu lassen und froh zu sein, daß ein neues und harmonisches Gleichgewicht entstanden war, hatte er den Frieden gebrochen und zwei Menschen ins Unglück gestürzt. Alle waren sie mit der ersten Lösung zufrieden gewesen: sein Chef hatte sich gefreut, denn der Mörder von Hermsdorf war ermittelt und Feuerhahn befreit. Die Presse hatte sich mit Feuerhahn und Susanne gefreut und geschrieben: HAPPY-END FÜR FEUERHAHN; Susanne hatte ihre Ziele erreicht – erfüllte Rache auf der einen und große Liebe auf der anderen Seite. Auch Feuerhahn hatte eine reiche Ernte einbringen können: Geld, Liebe und Erfolg.
Und er, der kleine Kriminalbeamte Hans-Jürgen Mannhardt, hatte sich in einer schlaflosen Nacht eine haarsträubende Geschichte zusammengebastelt, eine Anhäufung absurder Thesen, unbeweisbarer Theorien. Er hatte intensiv von Sue geträumt, war jäh aufgewacht und hatte nicht mehr einschlafen können. Was war ihm weiter übriggeblieben, als sich mit wilden Phantasien zu betäuben? Stunden später im Büro, nach der dritten Tablette, hatte er sich verzweifelt bemüht, die Ideen und Gedanken dieser unruhigen Nacht zu verdrängen – umsonst. Gegen seinen Willen hatte er begonnen, Indizien zu sammeln…
Sie fuhren am Rathaus Schöneberg vorbei. Die Leute, die an der Bushaltestelle warteten, mußten sie für eine kleine Gesellschaft halten, die nach einem preiswerten Striptease-Lokal suchte.
«Wollen Sie mich heute noch verhören?» fragte Feuerhahn.
«Ja.»
«Na, dann viel Spaß.»
«Danke!»
Mannhardt lehnte sich zurück. Urlaub müßte man haben, drei Wochen Urlaub. Spanien, Jugoslawien, Acapulco – ach, was hätte man nicht alles anfangen können! Und statt dessen jeden Tag diese Scheiße hier. Aber er war ja selber schuld, er hätte ja Ruhe geben können. Als Beamter tat man seine Pflicht; mehr tat man nicht. Außer ihm wäre garantiert keiner darauf gekommen. Keiner hätte Susannes Spiel durchschaut. Hätte er seine Gedanken für sich behalten, könnte er jetzt im Bett liegen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Vielleicht hätte sich sogar mal eine Gelegenheit ergeben, mit Sue ins Geschäft zu kommen… Aber
Weitere Kostenlose Bücher