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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dem kleinen Tal näherte, in dem die Ruinen der Abtei lagen, hörte er plötzlich den scharfen Knall einer Pistole und fürchtete schon, er sei zu spät gekommen.
    Noch konnte er niemanden sehen, doch er rechnete fest damit, Frank Beacher lang ausgestreckt am Boden zu sehen, in der Brust die tödliche Wunde. Als Robert indes die offene Wiese bei den Ruinen erreichte, sah er Beacher: Er stand allein auf weiter Flur und feuerte einen zweiten Schuss ab, dessen Widerhall die morgendliche Stille zerriss. Qualm entwich dem Pistolenlauf, der auf niemanden gerichtet war, auch nicht auf Charles Saunders Hayden. Robert atmete erleichtert auf, sah er doch, dass Beacher lediglich auf eine Buche geschossen hatte, die keine zehn Schritte entfernt stand.
    »Mr Beacher!«, rief er.
    Der junge Mann drehte sich um und richtete die Schusswaffe etwas linkisch zu Boden.
    »Kapitän Hertle! Ist es nicht sehr früh für einen Ausritt?«
    Hertle stieg aus dem Sattel und führte das Pferd am Zügel weiter. »In der Tat, aber ist es nicht auch viel zu früh, um die Rinde eines Baumes zu zerfetzen? Darf ich fragen, was Sie hier treiben?«
    Beacher sah mit einem Mal verlegen aus. »Da ich es für wahrscheinlich halte, mich einem gewissen Gentleman im Duell stellen zu müssen, erschien es mir ratsam, mich mit der Duellpistole vertraut zu machen, zumal ich viele Jahre keine mehr in der Hand hatte.« Er sah Hertle ein wenig scheu an. »Haben Sie mich etwa in der Eigenschaft als Kapitän Haydens – Sekundant gesucht …?« Ein Anflug von Zittern lag in seiner Stimme.
    »Nein, Mr Beacher, bestimmt nicht. Ich bin hier, weil Ihr Freund Wilder mich gebeten hat, Sie zu suchen. Mr Wilder befürchtet nämlich, dass Sie sich mit den Pistolen von Mr Carthew auf den Weg ins Dorf gemacht haben, um Kapitän Hayden zum Duell zu fordern.«
    »Keineswegs. Ich wollte nur wissen, ob ich überhaupt eine Chance habe, mein Leben zu verteidigen.«
    »Dann lassen Sie sich gesagt sein, dass Sie sich keinen weiteren Schießübungen zu unterziehen brauchen. Ich kenne Charles Hayden schon viele Jahre, und ich versichere Ihnen, dass er in dieser Sache keine Satisfaktion verlangt. Ihm ist inzwischen bewusst, dass Sie erst dann um Henriettas Hand angehalten haben, nachdem jeder – auch Henrietta – davon ausging, Kapitän Hayden habe eine andere geheiratet.«
    »So ist er mir nicht feindlich gesinnt?«
    »Nun, ich denke, er hegt einen gewissen Groll gegen Sie, was vielleicht nicht allzu verwunderlich ist, doch er ist stets ein sehr vernünftiger Mensch gewesen. Und die Vernunft gebietet es, dass er die Entscheidung mit so viel Gelassenheit und Gleichmut abwartet, wie er aufzubringen vermag. Ich wundere mich, woher Mr Carthew diese Pistolen hat. Ich habe nie ein schöneres Paar aus der Zeit von Queen Anne gesehen! Darf ich?«
    Beacher reichte ihm die Pistole, und Robert betrachtete sie von allen Seiten. »Absolut angemessen für ein Duell, möchte ich behaupten«, sagte er. »Aber im Kampf ungeeignet. Allein das Laden dauert einen halben Tag. Aber sehr gut gearbeitet und gewiss treffsicher. Ich wollte mir immer schon einmal ein Paar leisten.« Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Lauf nicht mehr zu heiß war, schob er die Waffe in seinen Gürtel, ehe er sich bückte, um die zweite Pistole aufzuheben, die Beacher nach dem Abfeuern einfach auf den Boden gelegt hatte.
    »Kommen Sie, reiten wir zurück nach Box Hill. Es ist ein schöner Morgen, und ich bekomme allmählich Appetit. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Mahlzeit immer meine Laune verbessert, ganz gleich, was für Sorgen mich drücken. Meinen Sie nicht auch, Mr Beacher?«
    »Mir ist es nicht immer so ergangen, Kapitän, aber gewiss benötigt der Körper eine Stärkung, auch wenn die Seele ihrer nicht bedarf.«
    »Doch auch die Seele benötigt bisweilen Stärkung – die natürlich von anderer Beschaffenheit sein sollte …«
    Kurz darauf ritt Robert Hertle gemeinsam mit Frank Beacher zurück zum Haus der Carthews und gelobte, den jungen Mann für den Rest des Tages nicht mehr aus den Augen zu lassen. Er würde die Duellpistolen sicher verwahren – vielleicht eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, aber Robert wollte nichts dem Zufall überlassen.
    Man schickte einen Bediensteten los, der Wilder von der Schänke abholen sollte. Es war zwar noch sehr früh, aber inzwischen schlief kaum noch jemand im Hause Carthew.
    Elizabeth hatte nicht wieder einschlafen können, nachdem ihr Mann geweckt worden war. Und

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