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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Politiker hier in Österreich das nicht erkennen. Dieses Jahr wurden meine Mittel schon wieder gekürzt. Eine Schande ist das. Die Bonzen fahren fette Autos, tragen teure Anzüge und gehen auf schicke Veranstaltungen. Aber wenn es um Kultur und Geschichte geht, ist plötzlich kein Geld mehr da.« Er hielt das Schnapsglas immer noch hoch. »Auf dass die Politik endlich lernt, die wahrhaft wichtigen Dinge zu würdigen.«
    Morell machte keinerlei Anstalten, das Glas zu ergreifen, sondern starrte stattdessen auf mehrere mannshohe Bücherstapel, hinter denen eine gepolsterte Seitentür zu sehen war. »… die wichtigen Dinge zu würdigen«, wiederholte er Payers Worte gedankenversunken. »Sagen Sie, Herr Professor, wo führt denn diese Tür da hin?«
    »Welche Tür? Ach so, die führt zu Professor Novaks Büro, unsere Räume sind quasi miteinander verbunden. Schreckliche Vorstellung, dass Novak gleich hier nebenan getötet wurde.« Payer verzog den Mund.
    Morell dagegen lächelte. Hatte er also richtig vermutet. Hier tat sich gerade die einmalige Gelegenheit auf, sich doch noch unauffällig am Tatort umzusehen, denn diese Tür war nicht versiegelt. Weber war sich seiner Sache anscheinend so sicher, dass er begann, schlampig zu arbeiten. »Glauben Sie, es wäre möglich, durch diese Tür einen kurzen Blick in das Büro von Professor Novak zu werfen?«, fragte er.
    »Warum denn das? Da müssten wir ja erst die ganzen Bücher beiseiteräumen.« Payer deutete auf die Stapel. »Können Sie denn nicht einfach den Vordereingang nehmen?«
    »Der ist leider versiegelt.«
    »Aber Sie als Polizist können das Siegel doch ohne weiteres aufbrechen, oder?«
    Der Chefinspektor überlegte. Wie konnte er sich da nur rausreden, ohne dass Payer erfuhr, dass er hier völlig unautorisiert und auf eigene Faust herumschnüffelte? Je länger der bärtige Archäologe ihn fragend anschaute, desto mehr kam er ins Schwitzen. Er hasste es zu lügen. Bisher hatte er sich ja recht gut aus der Affäre ziehen können: Dass er Polizeibeamter war und im Fall Novak ermittelte, entsprach völlig der Wahrheit. Nun ja, er hatte ein paar Fakten weggelassen, was aber nicht halb so schlimm war, wie jemandem bewusst ins Gesicht zu lügen. Um Zeit zu gewinnen und letzte Skrupel zu beseitigen, griff er nach seinem Schnaps.
    »Auf die wirklich wichtigen Dinge.« Er lächelte gequält und kippte das Gebräu hinunter. »Zu Ihrer Frage …«, setzte er an, nachdem es ihn ordentlich durchgeschüttelt hatte, »Sie haben natürlich recht, aber … ähm … Sie als Beamter wissen ja, wie es in Österreich ist … mit der Bürokratie und so … all der Papierkram, den ich da ausfüllen müsste … es würde mir viel Zeit und Arbeit sparen …« Der Chefinspektor merkte, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg. Er war und blieb eine totale Niete, wenn es ums Lügen ging. »Uff«, sagte er verlegen. »Der Schnaps hat’s aber wirklich in sich.«
    Payer grinste. »Das ist halt noch richtiger Sprit. Freut mich, dass Sie den guten Tropfen zu schätzen wissen.« Er schaute auf die Tür und kratzte sich am Kopf. »Ja, ja, die Bürokratie – wem sagen Sie das. Hier an der Uni kann man nicht einmal einen fahren lassen, wenn man vorher keinen Antrag ausgefüllt hat. Glauben Sie mir, selbst wenn morgen Forschung und Lehre eingestellt werden würden, könnte der ganze Betrieb noch jahrzehntelang weiterbestehen, indem er sich einfach selbst verwaltet.« Dabei nickte er und strich über seinen Bart. »Warten Sie kurz – ich suche nur schnell nach dem Schlüssel. Fangen Sie doch schon mal an, die Bücher beiseitezuräumen.«
     
    Morell hatte eigentlich erwartet, in eine dunkle, unordentliche, mit Büchern vollgestopfte Kammer – kurz: in ein Arbeitszimmer wie das von Payer – geführt zu werden, aber er hatte sich getäuscht. Novaks Büro war mindestens doppelt so groß wie das seines Kollegen, wurde durch zwei riesige Fenster mit Tageslicht geflutet und war außerdem mit dicken, weichen Teppichen ausgelegt, die jeden Schritt dämpften und eine flauschige, heimelige Atmosphäre verbreiteten. Die wenigen, geschmackvoll arrangierten Möbel wirkten teuer und waren offenbar mit Bedacht ausgewählt worden. In einem großen Regal standen – sauber geordnet – einige edle, ledergebundene Bücher, und ein antiker Glasschrank beherbergte exotische Mitbringsel aus aller Welt: geschnitzte Holzmasken, einen glänzenden Jadeelefanten, mehrere Bronzefigürchen und ein kleines,

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