Zu Grabe
einmal dem Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche. Ich darf also so viele Reliquien kaufen und verkaufen, wie ich will.«
»Aber fälschen dürfen Sie sie nicht!«
»Aber wer redet denn hier von fälschen. So etwas würde ich nie tun.« Uhl verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie können gerne sämtliche Reliquien untersuchen lassen, die ich verkauft habe – Sie werden nichts finden, was zu beanstanden wäre.« Er lächelte selbstsicher.
Morell sah ein, dass er so nicht weiterkam. »Das werden wir ja gleich sehen.« Er quetschte sich an einem völlig überrumpelten Uhl vorbei und sauste schnurstracks auf die Lagertür zu. »So!«, rief er und riss die Tür auf.
»Tja, da bin ich jetzt aber gespannt.« Uhl war ihm gefolgt und hatte sich hinter Morell gestellt, der völlig perplex in einem kleinen Zimmer stand. Wie in einer professionellen Fälscherwerkstatt sah es hier drinnen nicht aus. Ganz im Gegenteil: Dieser Raum war ein stinknormales, kleines Lager. Morell schaute sich völlig verdattert um. Das Lager hatte kein Fenster, und die Neonröhre an der Decke warf ein diffuses, künstliches Licht auf einen dreckigen Teppich und eine Reihe von deckenhohen Regalen, die die gesamte Wandfläche einnahmen. Morell, der noch von seinem letzten Besuch im Laden wusste, dass es abgesehen von der Eingangs- und der Lagertür keine weiteren Türen mehr gab, sah sich verwirrt um. Die Regale und ihr Inhalt waren von einer dicken Staubschicht überzogen: Friedhofskerzen, Kruzifixe, Weihwasserfläschchen, Reisealtäre und andere skurrile Dinge, aber keine Knochen.
»Dort drin sind Reliquien, falls es das ist, was Sie suchen.« Uhl deutete auf eine große Schachtel.
Morell griff danach und schaute hinein. Die ganze Schachtel war angefüllt mit kleinen Heiligenbildchen, auf deren Rückseite winzige Stoff- und Papierquadrate klebten. »Was soll das sein?«
»Das sind Reliquien dritter Klasse. Ein Stück Stoff beziehungsweise Papier wird auf eine Reliquie erster oder zweiter Klasse gelegt, anschließend in kleine Stücke geschnitten und dann auf diese Bildchen geklebt.« Er grinste. »Sie dürfen sich gerne eine nehmen. Ich kenne da ein paar alte Damen, die schwören, dass sie Wunder bewirken können.«
Morell ignorierte Uhl, stellte die Schachtel zurück ins Regal und atmete tief ein. Payer hatte gestern Knochen gestohlen und sie in einer Plastiktüte hierher gebracht. Wo waren sie also? War es möglich, dass Uhl sie in seiner Wohnung aufbewahrte? Oder hatte er sie etwa schon verkauft? Morell wollte gerade klein beigeben, als ihm auffiel, dass eines der Regale viel sauberer als die anderen war. Er fuhr mit dem Zeigefinger langsam über ein Regalbrett und tatsächlich – es war kein Staub darauf.
»So, Herr Morell«, setzte Uhl an, dem Morells Entdeckung nicht entgangen war. »Jetzt haben Sie mich aber lange genug aufgehalten. Ich habe eine anstrengende Woche hinter mir und möchte jetzt meine wohlverdiente Sonntagsruhe genießen.« Er deutete nach draußen.
Morell ließ sich nicht beirren. Er tastete das Regal ab und schob dessen Inhalt hin und her.
»Auf Wiederschaun«, versuchte Uhl erneut, Morell hinauszukomplimentieren. Nachdem dieser nicht reagierte, fuhr er schärfere Geschütze auf: »Sie können hier nicht einfach so hereinspazieren und in meinem Lager herumhantieren. Wenn Sie jetzt nicht gleich gehen, dann rufe ich die Polizei.«
»Nur zu«, murmelte Morell, der gerade einen kleinen Hebel ertastet hatte. Er legte ihn um, nahm mit Freuden ein leises Klicken war und zog dann vorsichtig an dem Regal, das sich, genau wie er es sich erhofft hatte, bewegen ließ. Dahinter befand sich eine schmale Holzstiege, die steil in einen dunklen Keller führte. Triumphierend drehte er sich zu Uhl um und stemmte die Hände in die Hüften. »Na, haben Sie immer noch das Bedürfnis, die Polizei zu rufen?«
Uhl versuchte erneut, sich aus der Affäre zu ziehen. »Sie haben den Abstieg zu meinem Keller entdeckt. Na und?«
»Zu Ihrem Keller oder Ihrer Fälscherwerkstatt? Wir werden es gleich sehen.«
»Halt!« Uhl versuchte, sich an Morell vorbeizudrängen, was bei den beengten Verhältnissen im Lager und Morells Körperfülle kein Leichtes war. »Sie können sich nicht einfach so aufführen, als würde Ihnen der ganze Laden gehören.«
»Und Sie können nicht einfach illegale Geschäfte tätigen!« Morell verhinderte, dass Uhl sich an ihm vorbeizwängte, indem er sich breit in den Durchgang stellte.
Uhl verlor langsam
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