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Zu Hause in Almanya

Zu Hause in Almanya

Titel: Zu Hause in Almanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aysegül Acevit
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sein. Also ein paar Spielsachen vielleicht, oder neue Kleider, die sie noch brauchten? Der Vater wollte sich etwas einfallen lassen, darauf einigten sie sich.
    Von alldem ahnten die Kleinen aber noch nichts. Als es am Abend des 6. Dezembers plötzlich an der Tür klopfte, schickte ihre Mutter die beiden zur Tür, um sie zu öffnen. Das taten sie auch, doch sogleich schlugen sie sie wieder zu und kamen schreiend zurück.
    »Anneee, Anneee,« riefen sie aufgeregt, »Mamaaa, Mamaaa, da steht ein fremder Onkel vor der Tür«, und waren ganz erschrocken. Der Mann vor der Tür fror sich derweil die Füße ab und klopfte immer wieder an die Tür, um endlich herreingelassen zu werden, doch das löste nur neuerliches Kreischen aus.
    »Nein, Kinder, macht ruhig auf«, versuchte die Mutter zu beruhigen, »ich bin doch hier, ihr müsst keine Angst haben.« Aber es half nichts, die beiden rührten sich nicht mehr von der Stelle.
    »Na, dann schauen wir doch mal zusammen nach, wer das denn ist«, sagte die Mutter, ging langsam mit den beiden zur Tür und öffnete sie. Draußen zupfte sich der Nikolaus gerade den Bart zurecht, schob seine buschigen, weißen Augenbrauen etwas hoch und knöpfte seinen Mantel zu.
    »Höhöö«, sagte er mit verstellter Stimme und räusperte sich!
    »Oh, der Nikolaus ist ja da«, tat die Mutter überrascht und bat ihn herein. Die Kinder waren mucksmäuschenstill.
    Nun, da der Nikolaus in der Wohnung stand, wusste die Mutter nicht mehr so recht, was sie tun sollte, und der Nikolaus offenbar auch nicht. Darüber hatten sie nicht gesprochen. Sie zwinkerte ihm zu und versuchte ihm mit ihren Blicken etwas zu sagen, doch er verstand sie nicht. Stattdessen zog er plötzlich ein Gebetskettchen aus der Manteltasche, so wie sie türkische Männer oft bei sich tragen, und ließ es nervös durch die Finger gleiten. Entsetzt riss die Mutter die Augen auf, schaute auf das Kettchen und blitzte dann wütend den Nikolaus an. Dieser zuckte zusammen und ließ das Kettchen rasch wieder in der Manteltasche verschwinden. Dann stand er wieder stumm wie ein Holzklotz da und rührte sich nicht. Schließlich platzte der Mutter der Kragen. »Nun, Nikolaus«, sagte sie energisch, »dann setz dich doch mal hin.«
    Die Kinder sagten noch immer nichts und musterten den Nikolaus von oben bis unten, und auch der schwieg hartnäckig. Wieder schritt die Mutter ein: »Lieber Nikolaus, hast Du uns denn nicht etwas Schönes mitgebracht? Willst Du uns keine Geschenke geben?«
    Da zog der Nikolaus den gut gefüllten Sack zu sich, den er mit hereingebracht hatte, öffnete ihn und kramte darin herum. Alle waren neugierig, was sie denn wohl bekommen würden. Der Nikolaus griff tief in den Sack hinein und holte das erste Geschenk heraus. Einen verstaubten, kaputten Kassettenrekorder, aus dem bunte Kabel heraushingen. Die Kinder begannen zu lachen, doch die Mutter war entsetzt.
    »Nikolaus, was ist das denn?« Der Rekorder kam ihr vage bekannt vor. Hatte der nicht auf dem Dachboden gelegen? Auch der Nikolaus schien etwas irritiert und begann wieder, in dem Sack zu kramen. Dann zog er noch ein Teil heraus. Diesmal war es ein Mixer, dem die Stäbe fehlten.
    »Ein Mixer?«, schrie die Mutter und die Kinder lachten wieder. Völlig verdutzt packte der Nikolaus den Mixer wieder ein und griff zum dritten Mal in den Sack. Diesmal holte er eine alte Holzdose heraus. Es war eine Zigarrenschachtel, und er legte sie gar nicht erst auf den Tisch, sondern steckte sie ganz schnell wieder zurück in den Sack. Dann blickte er die Mutter an, als wollte er etwas sagen, und zuckte die Achseln.
    Die Mutter war nahe daran zu verzweifeln. Sie verstand die Welt nicht mehr. Was war bloß mit den Geschenken los? Und warum verhielt sich dieser Nikolaus so merkwürdig? In diesem Moment klingelte es an der Tür. Sie eilte zur Tür, öffnete und fand zu ihrer Überraschung ihren Mann draußen stehen. »Was machst Du denn hier, Mehmet?«, fragte sie aufgeregt.
    »Ich hab aus Versehen die Säcke vertauscht«, antwortete dieser. »In dem einen waren doch die alten Sachen, die wir spenden wollten, aber ich hab stattdessen den Sack mit den Geschenken in die Moschee gebracht. Jetzt hab ich ihn wieder geholt.« Er strahlte über das ganze Gesicht.
    »Oh Gott! Wer ist denn dann der Mann da drinnen?«, rief seine Frau und rannte voller Panik in die Wohnung, aber da war es schon zu spät: Der Nikolaus war enttarnt. Mit den beiden Kindern auf dem Schoß saß er am Küchentisch, der Bart

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