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Zu Hause in Almanya

Zu Hause in Almanya

Titel: Zu Hause in Almanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aysegül Acevit
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wurde die Verbreitung der »Türkenangst« allerdings nicht nur durch immer neue Nachrichten von türkischen Eroberungen, sondern auch vom Papst und der Kirche, von Priestern und Predigern. Sie erklärten die Türken zur Geißel Gottes, die geschickt worden sei, um die Christenheit zu bestrafen, da diese nicht gottesfürchtig genug sei und ein sündiges Leben führe. »Gott schickt uns die Türken als Strafe, also betet und tut Buße und macht, was ich euch sage«, so ungefähr lautete wohl die Botschaft des Papstes. Es war eine regelrechte Propagandamaschinerie, die er zu diesem Zweck in Gang setzte, und eines der wirksamsten Mittel darunter waren die »Türkenpredigten«. Auch deutsche Christen im damaligen Römischen Reich hörten, wie grausam und barbarisch die Türken seien. Sie würden Menschen bei lebendigem Leibe aufspießen und schwangeren Frauen die Babys aus dem Leib reißen. So schallte es von den Kanzeln der Kirchen und den Podesten der Wanderprediger. Auf diese Art fachte man die Angst des einfachen Volkes vor den Türken an und hielt sie lebendig, selbst wenn für dieses keine konkrete Gefahr bestand.

    Nach der ersten Belagerung Wiens 1529 vertreiben die kaiserlichen Truppen das osmanische Heer.
    Damit die Menschen diese Gefahr und somit ihre Pflichten gegenüber der Kirche nicht vergaßen, wurde das Läuten der sogenannten »Türkenglocken« eingeführt, zum Beispiel 1456 in einem päpstlichen Erlass. Täglich zur gleichen Zeit läuteten die Glocken und mahnten jeden, innezuhalten und zu beten, um vor den Türken verschont zu bleiben. Gebete als »Waffe« gegen die Türken wurden vielfach eingesetzt, so fanden etwa auch regelmäßige Rosenkranzandachten statt. Wurden dann tatsächlich Siege über die türkischen Heere errungen, schrieben die gläubigen Christen diesen Erfolg den Gebeten zu.

    Ein türkischer Krieger mit zwei gefangenen Bauern und einem ermordeten Kind – der Holzschnitt von 1529 sollte die barbarische Grausamkeit der Türken illustrieren.
    Ob ihnen dabei allerdings bewusst war, dass der Papst vor allem aus politischen Motiven die Angst vor der Türkengefahr schürte, um so die Spaltung der Christenheit aufzuheben, die Gläubigen vereinen und seine eigene Macht stärken zu können? Wohl kaum. Viel zu real erschien die Schreckenspropaganda, die sich die Menschen über Jahrhunderte anhören mussten, während in manchen Orten auch tatsächlich Kriege mit den Türken tobten.
    Das wohl erstaunlichste Zeugnis dieser Propaganda aber ist eine bildliche Darstellung, an der selbst der legendäre Fürst Draculea seine Freude gehabt hätte: die sogenannte »Türkenmadonna«, an manchen Orten auch als »Rosenkranzkönigin« bezeichnet. Noch heute stehen vereinzelte Statuen in einigen Kirchen in Deutschland und werden von frommen Christen geehrt. Was ist so schlimm an der »Türkenmadonna«?
    Man stelle sich eine anmutige Mutter Gottes vor, mit einem langen Gewand und gütigen Augen. Ihre Arme hat sie ausgebreitet, als wolle sie alle Menschen in ihr Herz schließen. Auf dem einen Arm trägt sie ein Baby, das Jesuskind. Doch in der anderen Hand hält sie ein langes Schwert. Der Jesusknabe, eigentlich der Inbegriff der Unschuld, übertrifft noch die Mutter. Er hält den abgeschlagenen Kopf eines Mannes in der Hand, dessen langer Schnurrbart ihn als Türke ausweist. Dieses schockierende Bildnis soll symbolisieren, wie die Heilige Jungfrau das Abendland vor den barbarischen Türken rettete. Welche Empörung würde wohl im umgekehrten Fall, zu Recht, durch die Welt gehen, wenn eine solche Statue in einer Moschee stehen würde?
    Dieses Beispiel zeigt besonders gut, wie die Angst vor den Türken den Menschen in Europa über Jahrhunderte hinweg regelrecht eingetrieben wurde. So gesehen verwundert es vielleicht nicht, wenn diese Furcht unbewusst heute noch in manchen Menschen schlummert, wie einige Experten meinen.
    Lange Zeit fand die Türkenangst und die Türkenfeindlichkeit auch in der Kunst, vor allem der Malerei, und in der Dichtung und Poesie ihren Ausdruck. Kupferstiche, in denen Türken als blutrünstige Kämpfer dargestellt werden, oder fingierte Briefe, in denen fantasiereich geschildert wurde, welche Grausamkeiten diese Barbaren nun wieder in welchem Krieg angerichtet hätten, machten die Runde.
    Das Blatt wendete sich erst, als es den Türken 1683 erneut nicht gelungen war, Wien zu erobern, und sie stattdessen von den Truppen der Heiligen Liga zurückgetrieben wurden. Plötzlich wurde aus Angst

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