Zu Hause in Almanya
und Hass Spott und Häme. Die Darstellungen zeigten nun die Türken nicht mehr als grausam und barbarisch, sondern als schwächlich und dümmlich. In Zeitungen, Karikaturen und Volksliedern machte man sich über sie lustig und freute sich des Sieges. Es muss eine Welle der Freude durch Europa gegangen sein, als die »Türkenangst« gebannt war. Nun konnten Europäer selbst Schrecken in der Welt verbreiten, ungehindert von den Türken. Die Angst vor ihnen hatte Europa zusammengeschweißt und neue Bündnisse entstehen lassen. Vielleicht hat sie auch mit beigetragen zur Festigung der Idee von einer Zusammengehörigkeit der Europäer und des europäischen Kontinents, was sich ein paar Jahrhunderte später als sehr bedeutsam erweisen sollte.
Nachdem erste diplomatische Beziehungen mit dem Osmanischen Reich aufgenommen worden waren und Gesandte von dort berichteten, wurde auch das Türkenbild in Europe immer vielfältiger. Einer, der die Schönheiten des Osmanischen Reichs kennen gelernt hatte, war Ogier Ghislain de Busbecq. Der Diplomat hatte vom Sultan Tulpenzwiebeln als Geschenk erhalten. Zurück in Wien gab er sie dem Gärtner des kaiserlichen Botanischen Gartens, der die Pflanzen aussetzte und kultivierte. Mit der Zeit verbreitete sich die bislang unbekannte Pflanze in ganz Europa und löste eine regelrechte Tulpenmanie aus. Die Schönheit der Pflanzen war wie ein Vorbote für das Bild der Türken, das sich allmählich zum Positiven ändern sollte. In Reiseberichten, auf Gemälden und Kupferstichen, in Opern und Operetten wurde nun auch ihre Lebensweise dargestellt, ihr Charakter positiver beschrieben. Der Orient, für den die Türken sinnbildlich standen, konnte also auch anziehend sein.
Der französische Maler Jean-Étienne Liotard war einer der beliebtesten Maler zur Zeit der »Türkenmode«.
Ihre Sultane waren großmütige Herrscher, ihre Harems voller Lebensfreude und Sinnlichkeit. Lady Wortley Montagu, die Frau eines britischen Botschafters in Konstantinopel, bezeichnete die Türkinnen als die schönsten Frauen überhaupt. Die Fantasie der Europäer blühte, und der Orient wurde zum Ort von Märchen und Mythen.
Es erschienen Kostümbücher, die die Kleidung der Osmanen darstellten, es wurde schick, sich in türkische Stoffen zu kleiden, sich als Türke portraitieren zu lassen oder seine Wohnung nach türkischer Art einzurichten. Im 18. Jahrhundert erreichte die Türkenmode ihren Höhenpunkt und es schien das Türkenfieber ausgebrochen zu sein; nun herrschte eine Turkomanie. Die politische Lage zwischen Europa und dem Osmanischen Reich war friedlich, und im Zuge der Aufklärung begann man zu zweifeln, ob Europa wirklich die überlegene Kultur sei und nicht auch Gemeinsamkeiten mit anderen Völkern besaß, wie etwa den Türken. Allerdings fand eine richtige Auseinandersetzung mit deren Kultur nie statt. Gleichzeitig machte sich umgekehrt im Osmanischen Reich eine Verehrung für Europa breit. Man bewunderte den technischen Fortschnitt, übernahm Gesetze, kleidete sich auf europäische Art, orientierte sich an politischen Ideen aus Europa oder nahm französische oder italienische Wörter in die eigene Sprache auf.
Die alten Vorstellungen über die Türken leben zum Teil auch heute noch weiter und sind längst nicht vergessen – die schönen wie die schrecklichen. Wenn deutsche Zeitungen bei Fußballspielen der Türkei bei der Europameisterschaft titeln »Die Türkei vor Wien« oder bei EU-Beitrittsverhandlungen »Die Türkei vor den Toren Brüssels«, dann spielen solche Schlagzeilen immer noch auf Ereignisse an, die fast 500 Jahre zurückliegen. Wenn heute in der Öffentlichkeit so geredet wird, als seien türkische Männer gewalttätiger als andere, dann schwingt darin vielleicht auch das alte Türkentrauma mit.
Allerdings: Wenn im Fasching und Karneval die Kapelle musiziert, dann erklingen darin auch türkische Instrumente, die einst im Heer der Türken zu hören waren. Auch die Musik von Mozart und anderen Komponisten macht Klänge »alla turca« hörbar. Alte Bauwerke, wie die kleine Moschee im Schlossgarten in Schwetzingen, oder Porzellan mit türkischen Motiven zeugen noch heute von der alten Schwärmerei für die Türkei.
Aber auch in unserer deutschen Sprache sind noch einige Andenken an die alten Zeiten geblieben. »Hurra« war ursprünglich der Kampfruf türkischer Soldaten und hieß Vur ha! , »Schlag los!«. Unser »Heckmeck« heißt eigentlich Ekmek , was Brot bedeutet – eine Bitte der
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