Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo
brachte man mich im Badezimmer unter. Eine Matratze wurde in die Badewanne gelegt, und somit hatte ich eine geradezu komfortable Lagerstatt – ohne Insekten, Wüstengeräusche und Saharahitze – und zudem als die einzige Wohnungsinsassin (wiederum war ich die einzige) einen Privatraum, wenigstens nachts. Das war meine erste Unterkunft in Afrika.
Nach einigen Tagen war mir klar, daß ich vor der Möglichkeit meiner Weiterreise mit einem längeren Aufenthalt in Casablanca rechnen mußte, den ich nicht gut in dem Bata-Badezimmer verbringen konnte. Inzwischen hatte ich auch Kontakt zu zwei weiteren in der Stadt ansässigen Tschechen. Der eine, ein Herr Svoboda, bot mir an, solange ich hier sein mußte, für ihn auf der Schreibmaschine seine Geschäftskorrespondenz zu tippen.
»Sie verstehen sicher, daß im Krieg im Geschäft nicht viel los ist und ich Ihnen nur von Stück zu Stück ein bescheidenes Honorar zahlen kann. Aber etwas ist auf jeden Fall besser als nichts.«
Diese Weisheit war unanzweifelbar, und sein mageres Angebot eröffnete mir einen Ausweg. Ich zog los, ein Quartier zu finden.
Nach einigen mißglückten Versuchen fand ich ein kleines Hotel, das mir sofort interessant erschien, denn es hatte zwei Ausgänge, jeden in eine andere Straße. In meiner unklaren und amtlich ungeklärten Lage und bei den unkalkulierbaren und verrückten Zuständen in Casablanca ein unschätzbarer Vorteil.
Gleich hinter dem Eingangstor befand sich statt einer Portiersloge die winzige Wohnung der Hotelbesitzer, eines italienischen Ehepaares.
Ich stotterte meinen Eröffnungsspruch: Junges Mädchen aus gutem Haus, allein, aus der fernen Tschechoslowakei, sehr ordentlich, aber mit wenig Geld ...
»Deine Papiere sind in Ordnung?«
»In Ordnung, sogar mit einem gültigen Visum versehen, nur für Marokko ist noch nicht alles geklärt, aber auf gutem Wege.«
»Also keine Aufenthaltsbewilligung. Und dein Land mit dem sonderbaren Namen steht auf welcher Seite im Krieg?«
Ich holte tief Atem. Schließlich waren die Hotelbesitzer Italiener, und Mussolini ... Dennoch antwortete ich:
»Die Tschechoslowakei ist mit Frankreich alliiert.«
Die Frau schaute zu ihrem Mann, der zwinkerte ein bißchen mit einem Auge, dann wandte sie ihren Blick wieder mir zu und sagte:
»Va bene. Wir nehmen dich und machen dir auch einen Preis. Ab und zu gibt es Hotelkontrollen, komm mit, ich zeige dir, wo wir dich unterbringen können, damit es kein Malheur gibt, weder für dich noch für uns. Andiamo.«
In der Mitte des Hotels, zwischen dem Vorderhaus in der einen und dem Hinterhaus in der anderen Straße, gab es einen Lichtschacht. Dorthin führte mich die Frau.
»Wenn du einverstanden bist, daß wir hier ein Laken aufspannen«, sie zeigte mit der Hand ungefähr in die Höhe des Türpfostens, »kriegst du ein ruhiges Zimmerchen, kannst hinter dir die Tür zusperren. Die hat keine Nummer und wird deshalb bei eventuellen Razzien ausgelassen. Du verstehst?In der Ecke hast du eine Wasserleitung, Bett, Tisch, Waschbecken und auch einen Kasten«, sie maß mich mit einem fragenden Blick, »und was du sonst noch brauchst, stellen wir dir mit Achmed am Nachmittag herein. Wenn du willst, kannst du am Abend einziehen.«
Als ich am Abend mit meiner Tasche – warmes Kostüm und Pullover – eintraf, führte mir Achmed, ein flinker, magerer Araberjunge und offenbar Mädchen für alles in dem Betrieb, mein neues Quartier vor. Es war schon eingerichtet, die Zimmerdecke bildete ein weißes Laken, man hatte mir sogar ein Nachttischchen hereingestellt. Achmed knipste die kleine Lampe darauf an und sagte:
»Wenn Polizei im Haus, mach Licht aus, Madame!«
»Merci, Achmed.« Von diesem Augenblick an waren wir befreundet.
Meine erste Nacht in meinen eigenen vier Wänden in Afrika. Eigentlich waren es nur drei, denn über mir wölbte sich ein milchig-grauweißer Himmel, der ab und zu einen dumpfen Laut von sich gab und eine kleine Ausbuchtung zeigte. Zuerst konnte ich mir diese Erscheinung nicht erklären. Regnen konnte es doch nicht in dem überdachten Lichtschacht, zudem war ja die Regenzeit noch gar nicht angebrochen. Nach und nach begriff ich: wenn jemand in den oberen Stockwerken eine Apfelsinenschale, einen Zigarettenstummel oder sonst etwas einfach in den Lichtschacht warf, landete dieses Etwas über meinem Kopf auf dem Lakendach. Besser als Mäuse, besser als Schakalgeheul, tröstete ich mich. Solange mein weißes Dach standhält, bin ich hier ganz gut
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