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Zu keinem ein Wort

Titel: Zu keinem ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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behaupten und notfalls auch allein Geld verdienen kannst.« Sie sagte es so freundlich, dass ich mich nicht abgelehnt oder gar beleidigt fühlte, wie so oft bislang. Ich verstand, was sie meinte, und ich fühlte, dass sie es nicht sagte, um mich zu kränken. Das allein tat mir gut. Ich wusste, dass mein Holländisch für die höhere Schule noch nicht ausreichte. Mit dreizehn Jahren konnte man schon eine Berufsschule besuchen, wie Rosa. Rosa? Das war es. Rosa besuchte die Haushaltungsschule und hatte berichtet, dass es dort viel freier zuging als bei uns im Heim. Jüdische und christliche Mädchen wurden dort gemeinsam unterrichtet.
    Ich hob den Kopf und fragte: »Kann ich Haushaltung lernen auf der Schule, auf die Rosa geht?« Und ich fügte noch hinzu: »Meine Mutter möchte sicher auch gern, dass ich so etwas lerne.«
    Ein Aufatmen ging durch die beiden. Die Direktorin antwortete: »Ich werde morgen fragen, ob es dort noch
einen Platz für dich gibt. Ich denke auch, diese Entscheidung würde deiner Mutter gefallen.«
    Ich hatte nicht gedacht, dass sie überhaupt etwas von meiner Mutter wusste. Vielleicht war es ja so, dass einem durch Heimweh die ganze Welt dunkler und alle Menschen unfreundlicher erschienen, als sie in Wirklichkeit waren. Bevor ich hinausging, drehte ich mich noch einmal um und sagte leise: »Danke.«
    Ich lief sofort zu Rosa und erzählte ihr die hoffnungsvolle Nachricht. Rosa war ebenso begeistert und meinte: »Da ist ganz bestimmt noch Platz. Und wenn nicht, sitzen wir beide auf meinem Stuhl.«
    Tatsächlich konnte ich kurz darauf mit Rosa die neue Schule besuchen. Was für ein anderes Klima herrschte hier! Viele Lehrerinnen waren selbst noch jung, wie zum Beispiel Juffrouw Ouweleen oder Juffrouw Hoefsmit, die miteinander befreundet waren und später auch zusammen wohnten. Oder Frau Miller-Boudewijn, die mit einem Engländer verheiratet und sehr sportlich war. In der Schule trugen wir alle hochgeschlossene Schürzen. Dadurch sah nicht jeder sofort, dass wir aus dem Waisenhaus kamen. Nur an den schrecklichen Strümpfen und Stiefeln konnte man es noch erkennen, wenn man genau hinschaute.
    Endlich wurde mein Leben wieder etwas bunter und froher. Ich fand es wunderbar, dass die Schule den ganzen Tag dauerte. Wir lernten Nähen und Kochen und alles, was man sonst noch wissen muss, um einen Haushalt gut zu führen. Im Nähunterricht durfte ich mir aus einem alten Mantel einen eigenen Rock und dazu ein Bolero schneidern. Als ich die Sachen das erste Mal im
Heim anprobierte, war dies mein schönster Tag, seit ich in Amsterdam lebte. Ich schaute mich lange im Spiegel an und konnte kaum glauben, was ich sah. Ich war gar nicht nur grau und hässlich und griesgrämig, sondern konnte mich vor dem Spiegel drehen und dabei lachen. Ich war vierzehn Jahre alt und mein Körper hatte frauliche Proportionen bekommen. Ganz unübersehbar.
    Â»Suzy, guck mal!«
    Zu meiner Überraschung machte Suzy keinen Witz. Ganz ernst schaute sie mich an und sagte dann: »Cilly, das steht dir gut. Du siehst richtig schön aus...«
    Ich bekam einen roten Kopf und drehte mich weg. Ich fühlte mich wie eine kleine Blume, die kurz vor dem Absterben gewesen war und auf die im letzten Moment doch noch die Sonne schien. Beim Aufwachen konnte ich mich endlich wieder freuen auf den Tag, der vor mir lag. Schon auf dem Schulweg machten wir lauter Unsinn. Erst waren wir nur zu zweit, später kam auch Suzy dazu, die ebenfalls die Haushaltungsschule besuchte. Wenn wir mal zu spät kamen, sagten wir oft entschuldigend: »Die Brücke war oben!« In Amsterdam gibt es viele Brücken über die Grachten, die mehrmals am Tag hochgezogen werden, um Schiffe durchfahren zu lassen. Dann warten die Fußgänger, bis die Brücke wieder gesenkt wird. Aber oft hatten wir einfach nur getrödelt. Es gab so gut wie keine strengen Strafen auf dieser Schule. Manchmal lächelte Juffrouw Ouweleen wissend und meinte: »Ja, ja, wieder die Brücke, nicht?« Und wir schämten uns, aber nur ein bisschen.
    Das Beste war, dass es hier Lehrerinnen gab, die
selbst Freude am Leben hatten und sie uns ebenfalls gönnten. Einmal gingen wir mit der ganzen Klasse ins größte Kaufhaus von Amsterdam, das Bijenkorf - Bienenkorb. Dort wurden in der Haushaltsabteilung supermoderne Küchen vorgeführt, mit abgerundeten Ecken, die man leichter sauber machen

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