Zu viele Flueche
zurechtkäme. Sie war seine Verwalterin gewesen, aber Margle war sein grausamer Meister gewesen. Nessy konnte nicht annähernd so bedrohlich werden. In Wahrheit konnte sie sogar überhaupt nicht bedrohlich werden. Ohne die Bedrohung eines zauberischen Zorns schien das Schloss aufsässig geworden zu sein, ungezogen und geradezu unhöflich. Tiama vermochte ihm ganz einfach ein wenig Angst einzuflößen - und sie hatte vielleicht auch eine freie Stelle für Nessy. Oder die Zauberin würde Nessy womöglich einfach töten. Aber es war nicht ihr möglicher Tod, der Nessy davon abhielt, Tiama das Schloss zu überlassen.
Sie war einfach noch nicht bereit, es aufzugeben. Nessy war nie der Meinung gewesen, dass Furcht und Respekt dasselbe waren. Noch glaubte sie, dass die Manieren des Schlosses unrettbar waren, denn auch wenn ihr fluchbelegtes Zuhause größtenteils böse war, so war es doch zumindest auch ein kleines bisschen gut. Sie hoffte, dass es gut genug sein möge.
Nessy, Fortune und Sir Thedeus schwärmten aus, um alle Bewohner in der Nähe zu befragen, ob sie Tiama hatten vorbeikommen sehen. Doch keiner hatte sie gesehen. Es war, als wäre sie durch die Tür gegangen und ganz einfach verschwunden. Keine Unmöglichkeit für eine Zauberin von Tiamas Ruf.
»Vielleicht ist der Hexe langweilig geworden und sie ist einfach gegangen«, mutmaßte Sir Thedeus.
Doch das schien genauso unwahrscheinlich wie bei der Dämonin.
»Sie wäre nicht gegangen, ohne Margle gesprochen zu haben«, widersprach Nessy.
»Glaubst du dann, sie ist unsichtbar?«, fragte Fortune. Er sah sich um.
Sir Thedeus flatterte in kleinen Kreisen in der Luft herum. »Sie könnte überall sein.« Er landete hoch oben an der Wand. »Sie könnte sogar direkt neben uns stehen.«
Nessy sagte: »Ich wüsste nicht, warum sie das tun sollte. Keiner von uns stellt irgendeine Gefahr für sie dar. Nur Margle. Und ich bezweifle, dass man ihn mit einem Unsichtbarkeitszauber hätte täuschen können.« Einen Augenblick lang bereute sie, in der Vergangenheitsform von ihrem Meister gesprochen zu haben, solange noch eine geringe Möglichkeit bestand, dass tatsächlich eine unsichtbare Präsenz zuhörte. Doch sie tat es als unerheblichen Patzer ab. Sie konnten Margles Tod nicht mehr lange geheim halten. Vor allem, wenn Tiama Verdacht schöpfte.
Solange es Nessy nicht besser wusste, nahm sie es hin, dass sie sich auf einzelne Annahmen verlassen musste. Tiama befand sich immer noch im Schloss, wusste noch nichts von Margles Tod und wartete weiter darauf, ihn sprechen zu können. Falls eine dieser Annahmen falsch war, konnte sie nichts tun, um das Schloss zu retten. Aber sie sah keinen Grund, ihre Pläne jetzt schon aufzugeben. Und einer der ersten war ein gesundes Frühstück. Der Tag würde arbeitsreich werden. So arbeitsreich, schätzte sie, dass sie sich den Luxus erlauben konnte, die Mahlzeit ungestört zu genießen. Sie nahm Yazpib den Prächtigen zur Beratung mit, während sie aß.
Mister Bones hatte ihr Frühstück wie immer schon vorbereitet. Der Demontierte Dan ruhte still auf seinem Gewürzregal, wie er es normalerweise morgens tat, aber seine lippenlosen Zähne waren zu einem verschlagenen, krankhaft freudigen Grinsen verzogen. Sie wusste sein Schweigen zu schätzen, und dennoch hielt sie es nicht für gut, dass er nichts zu sagen hatte. Eine kurze Schimpftirade hätte ein wenig sehr willkommene Normalität in ihre durcheinandergeratene Welt gebracht. Doch Dan lag bloß da und gluckste vor sich hin.
Sir Thedeus, bei dem Gedanken an eine unsichtbare Zauberin immer noch verunsichert, hielt sich an hoch gelegene Sitzplätze. Er knabberte an einer Orange, die ihm Mister Bones freundlicherweise geschält hatte. Fortune leckte seine Schüssel Milch aus, während das Nurgax seine eigene reichliche Portion Schinken und Eier schlürfte.
Yazpib wusste sofort, was der lautstarke graue Nebei sein musste. »Gorgonendunst. Er ist nicht so schwer zu erzeugen. Ein Teil Basiliskenblut, zwei Teile tote Orchideen, vier Teile Vulkanasche. In einen Kupferkessel gießen, ein paar Beschwörungen murmeln, eine Stunde köcheln lassen. Jeder anständige Alchemistenlehrling kann so etwas in kürzester Zeit eimerweise herstellen.«
»Lässt er sich nicht zerstören?«, fragte Sir Thedeus. »Lässt sich die Versteinerung rückgängig machen?«
»Nach einer Woche ist sie praktisch irreversibel, aber wenn wir ihn schnell genug erwischen, dürfte es nicht besonders schwierig sein.
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