Zu viele Morde
hatte sie im Hilton untergebracht, klug genug, um zu wissen, dass die Luxushotels von London nicht mit ausreichend großen Fahrstühlen, ebenen Böden und breiten Betten ausgestattet waren; Desdemona brauchte Platz, besonders mit einem Buggy im Fahrstuhl. Daher das Hilton.
Delia hatte Carmine einen Namen mitgegeben: Professor Hugh Lefevre. Sie hatte sogar einen Termin für ihn vereinbart: elf Uhr am nächsten Morgen, in der Wohnung des Professors in St. John’s Wood. Offensichtlich hielt der Professor nichts davon, in einem Restaurant zu essen; Carmine könnte bei ihm eine Tasse Tee trinken, hatte er Delia erklärt.
Carmine lief eine Straße mit ziemlich heruntergekommenen Wohnhäusern entlang, jedes mit einigen Stufen, die zur Haustür führten, wo ein Schild mit handgeschriebenen Namenhing. Er fand heraus, dass H. Lefevre in Nummer 105 wohnte. Es gab keine Klingel, und natürlich lag die 105 nicht im Erdgeschoss. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass er pünktlich war, also ging er die dunklen Stufen hoch, bis zum ersten Treppenabsatz, von dem fünf Türen abgingen. Hinter der letzten Tür wohnte der Professor. Carmine klopfte.
»Herein!«, sagte eine Stimme.
Der Türknauf ließ sich drehen, und die Tür öffnete sich. Carmine betrat ein großes Zimmer, das nur durch zwei Fenster erhellt wurde. Die Tapeten waren verblichen, die dicken Samtvorhänge waren fleckig. Überall lagen Bücher herum, und eine Wand wurde von einem gefüllten Bücherregal eingenommen. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Papiere, eine kleine Schreibmaschine stand auf einem Tisch neben dem Schreibtischstuhl.
Ein Mann stand am Fenster und drehte sich um, als Carmine auf ihn zukam, und schüttelte ihm zur Begrüßung die Hand.
»Professor Lefevre?«
»Ja, der bin ich. Setzten Sie sich doch, Captain Delmonico.«
Carmine sah sich um und sagte scheinbar erstaunt: »Ist das alles, was England für seine Professoren tut?«
»Ich bin Kommunist, Captain. Es entspricht nicht meinen ethischen Grundsätzen, mich in Komfort zu suhlen, wenn so viele andere Menschen gar keinen kennen.«
»Aber von Ihrer privaten Lebensart haben diese Leute nichts.«
»Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass ich das spartanische Leben selbst gewählt habe, um meine ethischen Grundsätze Menschen wie Ihnen, die im Wohlstand leben, zu demonstrieren. Ich vermute, Ihr Haus verfügt über jeden erdenklichen Luxus.«
Carmine lachte. »Ich würde nicht sagen jeden Luxus, nur so viel, dass das Leben für meine Frau und mich einigermaßen bequem ist.«
Professor Hugh Lefevre erstarrte in seinem Sessel. Vor zwanzig Jahren, als Erica Davenport seine Studentin war, musste er für Frauen eine gewisse Anziehungskraft gehabt haben, denn er war groß, hatte sich wahrscheinlich mit lässiger Anmut bewegt und sein gutes Aussehen genossen. Seine Nase war lang und schmal, er hatte schwarzes Haar, das er lang trug, und blaue Augen.
»Was machen Sie mit Ihrem Geld?«, fragte Carmine neugierig.
»Ich spende es der Kommunistischen Partei.«
»Wo höchstwahrscheinlich ein Mitglied, das ein Lippenbekenntnis abgelegt hat, äußerst komfortabel davon lebt.«
»Nein, wir sind alle echte Kommunisten.«
Carmine lehnte sich vor. »Es tut mir leid, Professor, ich wollte Ihre Ideale nicht verunglimpfen. Meine Sekretärin hat Ihnen schon erzählt, dass ich Informationen über Erica Davenport brauche, die ja früher eine Ihrer Studentinnen war.«
»Ah, Erica.« Der alte Mann entblößte mit seinem Lächeln eine Reihe schlechter Zähne. »Warum sollte ich Ihre Fragen beantworten? Haben Sie einen neuen McCarthy im Senat sitzen? Wird sie von Ihrer kapitalistischen Regierung überwacht?«
»Erica Davenport ist tot. Sie wurde auf besonders brutale Weise ermordet, nachdem sie gefoltert worden war, indem man ihr die Arme und Beine brach«, sagte Carmine ruhig. »Ich bin kein kapitalistisches Werkzeug, ich bin nur ein Detective der Mordkommission.«
Lefevre weinte ein bisschen, leise und verschämt, wie alte Leute es tun.
»Erzählen Sie mir einfach, wie Erica vor zwanzig Jahren war, Sir.«
»Wie sie war?« Seine blauen Augen weiteten sich. »Wie die Sonne, die Sterne! Sie sprühte vor Leben und Enthusiasmus und brannte darauf, die Welt zu verändern. Wir waren alle ziemlich weit links am L. S. E. – dafür waren wir berühmt. Sie kam bereits bis zu einem gewissen Grad indoktriniert hier an, also war es einfach, ihr den letzten Schliff zu geben. Als ich herausfand, dass sie fließend
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