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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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geholt
hat, Mom. Da ist mir total schlecht geworden. Ich dachte, es läuft wie immer:
Du kommst heim, siehst die Bescherung und lässt die Tür richten. Ich hab gar
nicht erwartet, Geld zu finden, sogar gehofft, dass keines da ist. Dann hätte
ich nämlich Bailey sagen können, dass wir uns was anderes ausdenken müssen.
Aber da lagen die vierhundert Dollar, und Mom, ich wusste einfach nicht, was
ich anderes tun soll.«
    Jetzt war es also meine Schuld. Doch dann fing Stevie zu weinen an,
wie seit damals nicht mehr, als sein Daddy sich endgültig abgesetzt hatte. »Tut
mir leid, Mom. Ich bin dumm. Ich hasse mich selbst.« Er schluchzte ein paar
Minuten lang vor sich hin, während ich ihn leiden ließ. Während ich mich leiden ließ.
    Wer glaubt, ein Siebzehnjähriger wäre in der Lage, eine vernünftige
Entscheidung zu treffen, war nie eine Mutter. Ah, wie gut, dass ich mich selbst
ermahnte, aber ich machte mir tatsächlich Vorwürfe. Wie hatte ich nur das Geld
vergessen können? Wütend schlug ich mit der Hand auf die Bank.
    Doch dann sprang ich auf. Während ich hier nutzlos herumsaß, führte
Teague wahrscheinlich schon die Cops durch den Salon und zeigte ihnen das Chaos
dort. Angeblich das Werk eines unbekannten Jugendlichen, dessen Fingerabdrücke
möglicherweise seine Identität verraten können. Gott, ich hatte meinen eigenen
Sohn an den Galgen geliefert. Schon die kleinste Gesetzesübertretung konnte für
einen jungen Schwarzen der Beginn einer langen, harten Reise sein. Und davor
musste ich ihn bewahren.
    Wir würden die Sache unter uns regeln.
    Aber ungeschoren würde er mir nicht davonkommen; dazu war ich zu
wütend. Ich riet ihm, mein Geld an einem sicheren Ort zu deponieren und Bailey
zu sagen, sie müsste sich an mich wenden, wenn sie sich deswegen mit ihm
anlegen wollte. Dann beendete ich das Gespräch, um Teague anzurufen.

FÜNFZEHN
    ISABELLE , 1939
    Später am Nachmittag kam Nell noch einmal zu mir und erbot
sich – wenn auch mit zittriger Stimme –, Robert eine Nachricht von mir zu
überbringen. Ich brauchte den ganzen Abend, im Kopf einen Brief zu formulieren,
und den gesamten folgenden Morgen, ihn zu notieren. Was konnte ich schreiben, um
Robert umzustimmen? Ich zerriss den Brief und fing noch einmal von vorne an.
Wieder und wieder. Jedes Mal las ich das Geschriebene, zerriss es und steckte
die Schnipsel in eine Einkaufstasche unter meinem Bett.
    Am Ende entstand ein elend langer Brief, aber auch nach reiflicher
Überlegung fand ich nichts, was ich hätte auslassen können.
    Nell und ich hatten Signale vereinbart. Meine Mutter beobachtete
uns, ohne zu wissen, was es bedeutete, wenn ich mit dem Zeigefinger gegen mein
Kinn tippte oder Nell kurz an ihrem Ohrläppchen zupfte. Später holte sie den
zugeklebten, nicht adressierten Umschlag in meinem Zimmer ab, in das ich mich
zurückgezogen hatte, um mich »auszuruhen«.
    Â»Nell, du kannst dir gar nicht vorstellen, was mir das bedeutet.
Hoffentlich wird Robert nicht wütend. Er hat gesagt, ich soll mich von ihm
fernhalten.«
    Â»Immerhin war die Sache mit dem Brief meine Idee«, erwiderte sie.
»Dann muss er, wenn schon, auf mich wütend sein. Ich sage ihm einfach, ich
hätte gedroht, von hier wegzugehen, wenn Sie sich nicht auf meinen Vorschlag
einlassen. Außerdem ist es nur ein Brief.«
    Vielleicht war es nur ein Brief, aber wir beide wussten, dass dies
so nicht stimmte.
    Voller Ungeduld wartete ich auf Nells Ohrläppchenzupfen, das mir
mitteilen würde, dass sie eine Antwort von Robert habe, und wurde von Tag zu
Tag niedergeschlagener, als sie bei jeder Begegnung den Kopf schüttelte.
Irgendwann zeigte ihr Gesicht nur noch Bedauern, als wünschte sie, sie hätte
das mit dem Brief niemals vorgeschlagen. Ich konnte ihr es nicht verübeln. Es
war einen Versuch wert gewesen, aber Roberts hartnäckiges Schweigen schmerzte.
    Eines Morgens, als ich etwas trockenen Toast und Kaffee
hinuntergewürgt hatte, weil mein Vater darauf bestand, betrat Nell das
Speisezimmer.
    Â»Noch Sahne, bitte, Nell«, sagte meine Mutter, ohne den Blick von
der Klatschspalte der Zeitung zu heben – der einzige Teil, der sie
interessierte. Mein Vater beschäftigte sich mit den positiven Wirtschaftsdaten,
ein Lichtblick inmitten der Kriegsgerüchte aus Europa. Ich löste das
Kreuzworträtsel, bis mein Vater mir den vorderen Teil

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