Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
schnellstens entdeckte.
Nell hatte meine Sachen gewaschen und gebügelt, und ich hatte mein
bestes Kleid und meinen besten Hut so in den Koffer gepackt, dass sie nicht
hoffnungslos zerknitterten. Mit ein bisschen Glück würde ich Zeit haben, mich
in einer öffentlichen Toilette umzuziehen. Es konnte allerdings auch sein, dass
ich so, wie ich war, mit Robert den Bund fürs Leben schloss. Mutter hätte einen
Anfall bekommen, wenn sie mich auf dem Weg in die Bibliothek in meinem besten
Kleid gesehen hätte, das sie mir extra für die Feiertage genäht hatte.
Am Montag zuvor hatten Robert und ich uns vor dem Standesamt
getroffen. Auf dem Formular gaben wir unser Alter beide mit achtzehn an, obwohl
ich erst siebzehn war. Robert und ich behaupteten, unseren Wohnsitz in Hamilton
County zu haben. Robert nannte die Adresse seines Arbeitgebers als die seine
und ich die der Pension, in der wir fortan leben wollten. Zum Glück hatten wir
es mit einer anderen Beamtin zu tun als ich bei meinem ersten Besuch. Sie
wirkte weniger entsetzt, eher besorgt, und beäugte uns neugierig und auch ein
wenig mitfühlend, als sie die nötigen Dokumente für uns ausstellte. An jenem
Tag kamen so viele Lügen über unsere Lippen, dass mir übel wurde. Doch bis zum
Samstag vergaà ich mein schlechtes Gewissen wieder, weil ich mir neue
Erklärungen ausdenken musste, um aus Shalerville heraus und nach Cincy zu
kommen.
Nachdem ich mit der StraÃenbahn nach Newport und mit einer anderen
über die Brücke und in die Stadt gefahren war, traf ich mich mit Robert vor
einer Kirche. Ein Arbeitskollege hatte ihm gesagt, dass der Geistliche dort
Schnelltrauungen vornehme. Robert hatte keine Gelegenheit gehabt, zuvor mit dem
Mann zu sprechen, weshalb wir beide gespannt den Atem anhielten, als wir am
Seiteneingang klopften.
Der Geistliche streckte vorsichtig den Kopf zur Tür heraus. Sein
Blick streifte Robert und fiel auf mich. Er fragte sich, wo mein weiÃer
Begleiter war, das sah ich deutlich.
Als er niemanden sonst entdecken konnte, herrschte er uns an: »Was
wollt ihr?«
»Tut uns leid, wenn wir stören, Reverend. Man hat uns gesagt, dass
Sie Trauungen vornehmen, und wir wollten fragen, ob Sie Zeit für uns hätten.«
Der Mann sah zuerst Robert, dann mich mit groÃen Augen an.
SchlieÃlich erkundigte er sich, ob ich Robert aus freien Stücken begleitet
habe. Als ich nickte, wandte er sich Robert mit finsterer Miene zu. »Wer
behauptet das? Trauungen nur mit Termin, und den würdet ihr von mir sowieso
nicht bekommen.«
Robert schluckte. »Ich weià es von einem Kollegen in der Werft.«
»Der hat dir was Falsches erzählt. Ich habe noch nie eine WeiÃe und
einen Nigger getraut und werde es auch in Zukunft nicht tun.«
Als er die Tür schlieÃen wollte, schob Robert die Hand in den Spalt.
»Sir, wissen Sie, wo wir uns sonst trauen lassen könnten?«
»Warum versuchst duâs nicht bei deiner eigenen Kirche?« Sein Tonfall
lieà keinen Zweifel an seiner Verachtung.
Ich merkte, wie ich rot wurde.
Doch dann schien er es sich anders zu überlegen. »Vielleicht in St.
Paulâs.«
»St. Paulâs, Sir?«
»Eine Methodistenkirche für Schwarze. Und jetzt verschwindet. Ich
habe keine Zeit für Leute wie euch.« Er spuckte aus und knallte die Tür zu. Zum
Glück zog Robert seine Hand rechtzeitig weg.
Wir trotteten zur StraÃenbahnhaltestelle zurück, Robert einen
Schritt hinter mir, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich hoffte, eines Tages
könnten wir Seite an Seite gehen, wie es sich für Eheleute gebührt.
Robert vermutete, dass sich St. Paulâs im West End befand, nicht
weit von unserer Pension. Er fragte einen farbigen Zeitungshändler, wo die
Kirche war, und er erklärte uns den Weg.
Wir fanden St. Paulâs in einer ruhigen StraÃe mit schlichten
Häusern. Mittendrin erhob sich die Kirche, ein hübsches, auf alt gemachtes
Ziegelgebäude mit weiÃen Zierleisten, das sich, wie ich freudig feststellte,
deutlich von der anderen düsteren, schlammfarbenen Kirche unterschied.
Farbige Kinder, die auf dem Gehsteig spielten, beäugten uns
neugierig. Ein kleines Mädchen steckte den Daumen in den Mund und verbarg sich
hinter einem älteren.
»Hallo, junger Mann«, begrüÃte Robert den gröÃten Jungen der Gruppe,
der den Blick senkte. »Kannst du uns verraten, wo
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