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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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wir den Reverend finden? Ist
er samstags in der Kirche?«
    Der Junge sah das größere Mädchen an, das einen Schritt vortrat, die
Kleine an ihrem Rockzipfel. »Keine Ahnung, ob er heute in der Kirche ist, aber
er wohnt gleich da drüben.« Sie deutete auf ein schmales Haus aus den gleichen
roten Ziegeln wie die Kirche.
    Â»Danke, meine Liebe.« Robert verbeugte sich, und das Mädchen
lächelte verlegen.
    Â»Was wollt ihr?«, erkundigte sich ein anderer Junge. »Heiraten?«
    Das ältere Mädchen hielt ihm die Hand vor den Mund. »Pst. So ein
Unsinn. Siehst du denn nicht, dass sie weiß ist?«
    Obwohl ich ein flaues Gefühl im Magen bekam, rang ich mir ein
Lächeln ab.
    Â»Hab hier auch schon weiße Mädchen gesehen, die Neger heiraten
wollten. Und umgekehrt«, flüsterte der Junge so laut, dass wir es alle hören
konnten. Das Mädchen packte seine Hand und die der Kleinen und zog sie weg.
Nach ein paar Metern drehte sie sich mit einem entschuldigenden Lächeln zu mir
um. Ich winkte ihr nach.
    Robert betätigte den Türklopfer. Kurz darauf öffnete eine Frau, die
ihren Rock glatt strich. Offenbar hatte sie Kinder erwartet, denn ihr Blick war
auf Taillenhöhe gerichtet und wanderte langsam zu unseren Gesichtern hoch. Sie
trat einen Schritt zurück.
    Â»Entschuldigung, ich dachte, das wären wieder diese Bengel. Sie
klopfen immer samstags bei uns und fragen, ob sie was in der Kirche helfen
können. Aber eigentlich interessiert sie eher, ob ich was gebacken habe«,
erklärte sie lachend. Sie war die erste Erwachsene, die an jenem Nachmittag
nicht misstrauisch oder entsetzt auf uns reagierte. Sie war mir auf Anhieb sympathisch.
    Â»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie.
    Â»Ist der Reverend da?« Robert nahm die Mütze vom Kopf und drehte sie
nervös in den Händen.
    Â»Ja. Würden Sie mir sagen, wer mit ihm sprechen möchte? Und warum?«
    Â»Ja, Ma’am. Wir …« Er deutete kurz auf mich. »Wir möchten uns trauen
lassen.«
    Â»Hatte ich mir schon gedacht. Kommen Sie rein, meine Liebe.« Sie
winkte mich in den winzigen Flur und bedeutete Robert, mir zu folgen. »Ich hole
meinen Mann.«
    Unsicher sahen Robert und ich uns an.
    Â»Er kommt gleich«, sagte sie, als sie wieder bei uns war. »Setzen
Sie sich doch. Wenn Sie mich entschuldigen würden: Ich muss mich ums Essen
kümmern.« Sie führte uns ins Wohnzimmer, wo Robert und ich uns vorsichtig und
in gebührendem Abstand auf die Kante eines Sofas mit grünem Mohairbezug
niederließen.
    Robert beugte sich stirnrunzelnd zu mir herüber. »Alles in
Ordnung?«, fragte er. »Willst du’s dir noch mal überlegen?«
    Â»Nein«, antwortete ich, obwohl ich noch nie so nervös gewesen war.
Allmählich erschloss sich mir die Realität. Wir wurden überall mit schiefen
Blicken und verächtlichen Äußerungen bedacht, sogar von Kindern.
    Â»Und du?«, fragte ich. »Bleibst du dabei? Wenn sie …« Ich führte den
Satz nicht zu Ende, weil ein hochgewachsener Mann mit stattlichem Bauch den
Raum betrat. Robert und ich sprangen vom Sofa auf.
    Â»Guten Tag, Madam. Sir.« Er schüttelte Robert die Hand. »Reverend
Jasper Day.«
    Â»Ich bin Robert Prewitt, und das ist Miss Isabelle McAllister.«
    Â»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Ma’am.« Er verbeugte sich
kurz in meine Richtung, ohne mir die Hand zu geben, signalisierte uns, dass wir
wieder Platz nehmen sollten, und zog einen Stuhl heran. »Sarah sagt, Sie wären
hier, um sich trauen zu lassen. Stimmt das?«
    Â»Ja, Sir.«
    Er sah mich an, und ich nickte wortlos.
    Â»Dann sind Sie hier richtig. Wahrscheinlich wissen Sie, dass ich
bereits einige Paare wie Sie getraut habe.« Wie anders er doch klang als sein
Kollege! »Allerdings muss ich zuerst versuchen, Ihnen Ihren Wunsch auszureden.«
Er begann, uns die Argumente aufzuzählen, die Robert mir bereits genannt hatte,
und beschrieb, wie man uns bei jedem gemeinsamen Auftritt in der Öffentlichkeit
behandeln würde. Erst kürzlich sei ein junger Schwarzer von der Familie seiner
Freundin gelyncht worden, weil er genau das versucht hatte, was wir wollten.
Die junge Frau war auf der Straße gelandet und das geworden, was aus Mädchen
wurde, die niemand mehr wollte. Mich fröstelte, und Robert ballte die Hände mit
aschfahlem Gesicht zu

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