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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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Kellner herbei. »Wir würden unser Essen
gern mitnehmen. Hier drin halte ich es keine Sekunde länger aus.« Sie zog ihre
Kreditkarte aus der Brieftasche und gab mir ein Zeichen, ihr zu folgen. Wir
setzten uns in den Wartebereich, bis er uns die dampfenden Plastikboxen und
Styroporbecher brachte.
    Â»Sie müssen entschuldigen, Ma’am. Ich weiß zwar nicht so genau, was
da eben vorgefallen ist, aber es tut mir leid. Wollen Sie sich vielleicht an
einen anderen Platz setzen und dort essen?«
    Â»Sie können nichts dafür«, sagte Miss Isabelle. »Aber Sie sollten
ein Schild an der Tür anbringen mit der Aufschrift: ›Heuchler unerwünscht, ganz
gleich, welcher Hautfarbe.‹«
    Der Kellner verstaute Essensbehälter, Plastikbesteck, Servietten,
Salz und Pfeffer in einer Tragetüte und gab Miss Isabelle die Kreditkarte
zurück. »Geht aufs Haus. Als Entschuldigung.«
    Â»Ich zahl schon für das Essen«, widersprach sie, doch er winkte ab.
    Ein paar Häuserblocks entfernt suchten wir uns einen pittoresken – elf waagerecht – Platz mit alten Häusern und
Läden und einer Bank. Es dauerte eine Zeit lang, bis Miss Isabelle sich etwas
beruhigt hatte.
    Â»Tut mir leid, Dorrie, ich hätte keine Szene machen sollen, aber so
was geht mir gegen den Strich …«
    Â»Kein Problem. Sie sind jetzt meine große Heldin. Nicht zu fassen,
wie manche Leute sich aufführen. Sogar Schwarze glauben, dass sie sich nicht
mit Weißen abgeben dürfen, weil sie so die Sache verraten. Wenn Sie nichts
gesagt hätten, wäre ich rübergegangen. Aber, Miss Isabelle, Sie haben mich
vorhin Ihre Enkelin genannt.«
    Â»Mir ist nichts Besseres eingefallen, um diesem Arschloch,
entschuldige den Ausdruck, das selbstgefällige Grinsen auszutreiben. Außerdem
kommst du dem, was ich eine Familie nennen würde, noch am nächsten.«
    Das rührte mich nun doch von Herzen, und ich trank schnell einen
Schluck von meiner Cola light, um das zu überspielen.
    Â»Hör auf, mich so anzusehen, Dorrie. Ich weiß, was du denkst, aber
du hast andere Sorgen als eine alte Frau und ihre Vergangenheit. Was willst du
mit Stevie junior machen? Und was ist mit deinem Freund? Willst du den ewig
zappeln lassen?«
    Ich seufzte. »Wenn Stevie das Geld nicht ausgibt und nicht alles
noch schlimmer macht, kann er meinetwegen gern noch ein paar Stunden schmoren.
Und Teague hat mich inzwischen wahrscheinlich sowieso abgeschrieben.«
    Â»Nicht unbedingt«, widersprach Miss Isabelle. »Die Anständigen
bleiben manchmal länger, als man denkt.«
    Miss Isabelle hatte ihr Sandwich nur halb aufgegessen. Ich suchte unseren
Abfall zusammen und stopfte ihn in einen Mülleimer. Dann gingen wir, beide in
unsere eigenen Gedanken vertieft, zurück zum Wagen.

FÜNFUNDZWANZIG
    ISABELLE , 1940
    Wenn ich mich bis dahin zu Hause wie in einem Gefängnis
gefühlt hatte, kam ich mir jetzt vor wie in einem Hochsicherheitstrakt, genauer
gesagt wie in der Einzelzelle. Meine Brüder lieferten mich bei meiner Mutter
ab, die meinen Koffer nahm und mich nach oben begleitete. Sie deutete auf die
Tür zum Bad, wartete, bis ich die Toilette benutzt hatte, und brachte mich in
mein Zimmer, wo sie den Koffer am Fußende des Betts abstellte und ohne ein Wort
hinausging. Ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte.
    Patrick riss unterdessen das Spalier von der Seitenwand des Hauses
und stutzte die Zypresse. Dabei wäre der Versuch, mich an den schwachen Ästen
hinunterzuhangeln, ohnehin der reine Wahnsinn gewesen. Kurze Zeit darauf hörte
ich die Leiter gegen mein Fensterbrett scharren. Ich sah hinaus. Mein Bruder
hämmerte lange, dicke Nägel in den Rahmen, damit ich das Fenster nicht mehr
hochschieben konnte.
    Meine Eltern diskutierten, meine Mutter mit harter, ruhiger Stimme,
mein Vater mit gedämpfter, flehender. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich
geglaubt, Daddy wäre derjenige, der das Sagen hatte und meiner Mutter das
Zepter nur im Alltag überließ. Jetzt erkannte ich die Wahrheit.
    Anfangs brachte Mutter dreimal täglich Tabletts mit Essen hoch und
wartete vor der Tür zum Bad, bis ich mich gewaschen oder die Toilette benutzt
hatte. Ich lernte, nicht viel zu trinken, und passte meinen Körper ihrem
Rhythmus an.
    Nach einer Weile erlaubte sie mir, unten zu essen, allerdings nur,
wenn meine Brüder da waren, die mich bei einem

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