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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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hab ich keinen Keilriemen in der Werkstatt. Ich kann ihn
erst morgen früh besorgen, aber dann geht’s schnell. Sorry, meine Damen.« Er
machte die Kühlerhaube zu und wischte sich die Hände ab.
    Er brachte uns zu einem Hotel in der Nähe seiner Werkstatt und
versprach uns, gleich am Morgen anzurufen. Ich zahlte für das Zimmer – diesmal
ohne Probleme an der Rezeption – und rollte das Gepäck den Flur entlang. Miss
Isabelle hatte Bedenken, dass wir am nächsten Tag zu spät zur Trauerfeier
kommen würden, aber ich versprach ihr, pünktlich zu sein. Es war ja bloß noch
ein Katzensprung bis Cincinnati.
    In einem Laden kaufte ich uns was zu essen. Nachdem wir ein bisschen
Fernsehen geschaut hatten, ging ich auf eine Zigarette raus, rief meine Mutter
an und unterhielt mich kurz mit BiBi. Die Mühe, Stevie junior an den Apparat zu
holen, machte ich mir nicht.
    Wir legten uns früh ins Bett, weil es sonst nichts zu tun gab. Ich
war gerade dabei wegzudösen, als ich Miss Isabelle seufzen hörte.
    Â»Keine Sorge, wir kommen rechtzeitig hin«, murmelte ich.
    Â»Ich weiß …« Sie seufzte noch einmal.
    Â»Miss Isabelle, Sie vertrauen mir doch, oder?«, fragte ich.
    Â»Ja. Ich bin nur müde.« Wenig später kicherte sie leise. »Dein
Teague sollte dich mal von Vertrauen reden hören.«

NEUNUNDZWANZIG
    ISABELLE , 1940
    Mutter rief nach Mrs Gray, und gemeinsam gelang es ihnen,
mich in die Kammer hinter der Küche zu manövrieren, in dem ein altes Bett
stand. Darauf hatte Cora immer geschlafen, wenn es schon dunkel war und mein
Vater sie nicht nach Hause fahren konnte.
    Mrs Gray breitete ein Laken über die lumpige Matratze. In der Küche
hörte ich meine Mutter telefonieren. Wenig später betrat eine fremde Frau den
Raum.
    Eine schwarze Hebamme.
    Dankbar schloss ich die Augen, erleichtert darüber, dass jemand da
war, der sich auskannte. Erst später wurde mir bewusst, dass mein Vater sich in
der ganzen Zeit, die ich mich in dem winzigen Zimmer aufhielt, kein einziges
Mal blicken ließ. Vielleicht war er zu verlegen, seine eigene Tochter zu
untersuchen.
    Ich war zu sehr mit meinem Schmerz beschäftigt, um verlegen zu sein.
Die Hebamme versicherte mir, dass das Baby herauskommen würde, wie es sollte –
wenn auch viel zu früh.
    Sie bat meine Mutter zu bleiben, damit ich mich beim Pressen an ihr
festhalten konnte.
    Mit verärgerter, aber auch ein wenig besorgter Miene nahm Mutter
ihren Platz auf Höhe meiner Knie ein. Ich konzentrierte mich auf die
Anweisungen der Hebamme und bekam ansonsten nicht viel mit. Irgendwann hörte
ich die Hebamme sagen, Kopf, Schultern und Körper seien heraus. Kurz darauf
wurde ein kleines Bündel in einem weißen Tuch aus dem Raum gebracht. Ich hätte
gern einen Schrei oder ein Jammern vernommen, irgendetwas, das mir bestätigte,
dass mein Kind lebte. Aber es blieb still.
    Die Hebamme ließ mich mit meiner Mutter allein. Plötzlich war mir
schrecklich kalt. Und mein Körper fühlte sich fremd und neu an.
    Â»Das Kind?«, fragte ich, doch meine Mutter schwieg.
    Ich wiederholte die Frage mehrmals; sie wandte sich ab. Am Ende
bettelte ich um eine Antwort, und sie bedachte mich mit einem Blick, der einen
winzigen Hauch von Mitleid verriet.
    Â»Es kam so früh«, sagte sie achselzuckend. »Es war das Beste so.«
    Ein weiterer Krampf schüttelte meinen Unterleib, als würde mein
Körper den Verlust betrauern, bevor ich ihn richtig realisiert hatte. Und
obwohl ich nicht wollte, dass Mutter Zeugin meiner Seelenqual wurde, konnte ich
nicht an mich halten.
    Â»Nein!«, rief ich aus. »Nein. Ich will mein Baby.« Immer und immer
wieder.
    Schweigend verließ Mutter die Kammer.
    Die Hebamme setzte sich ans Fußende des Betts und drückte gegen
meinen Unterleib, als wollte sie mir den Kummer aus dem Körper pressen. Mit
jeder Schmerzwelle wurden meine Tränen weniger, bis sie schließlich versiegten.
Die Hebamme zeigte auf die Nachgeburt und brachte sie weg. Als sie zurückkam,
packte ich sie am Arm und sah sie an.
    Sie schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf.
    Abermals traten mir Tränen in die Augen.
    Â»War es ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte ich.
    Sie kämpfte mit sich; ihr Blick wanderte in Richtung Tür.
    Â»Ein Mädchen«, antwortete sie mit leiser Stimme.
    Â»Ich möchte die Kleine sehen.« Mühsam richtete ich

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