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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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gelassen, aber nie auf so eine Art wie
die Mutter von Miss Isabelle.
    Vor uns überspannten mehrere Brücken einen Fluss, und auf der
anderen Seite erhoben sich Wolkenkratzer. Cincinnati, die Stadt der sieben
Hügel.
    Miss Isabelles Augen nahmen einen seltsamen Ausdruck an.

EINUNDDREISSIG
    ISABELLE , 1940
    Ich hatte während der Schwangerschaft nicht viel
zugenommen, weil mir der Kummer und die schwüle Hitze den Appetit raubten.
Schon bald sah ich aus wie früher, um ein paar Schwangerschaftsstreifen, die
niemanden interessierten, reicher. Meine alten Kleider passten mir wieder. Die
Hebamme riet mir, meine Brüste mit Stoff abzubinden, wenn die Milch einschoss.
    Als ich mein Gefängnis verlassen durfte, sagte Mutter, ich könne tun
und lassen, was ich wolle, allerdings unter einer Bedingung: Ich dürfe niemals
zugeben, dass ich mich in der Zeit, in der ich ihrer Aussage nach nicht in
Shalerville war, hier aufgehalten hatte. Alles andere, was ich tat, war ihr
gleichgültig. Vermutlich war sie einfach nur erleichtert, die unerfreuliche
Angelegenheit mit dem Kind hinter sich zu haben. Ihre Bedingung zu erfüllen
fiel mir leicht. Ich hatte nicht das Bedürfnis, irgendjemandem die vergangenen
sieben oder acht Monate zu erklären. Anfangs verspürte ich auch nicht den
Wunsch, von zu Hause wegzugehen. Ich schlief viel, und die meiste Zeit starrte
ich aus dem Fenster. Ich fühlte mich benommen und apathisch.
    Am Ende meiner Kräfte.
    Als nach etwa einem Monat des Nichtstuns die Hitze nachließ,
begannen sich meine Lebensgeister wieder zu regen.
    Ich kann nicht erklären, warum. Aber plötzlich erschien mir jede
weitere Minute in dem Haus, in dem ich angeklagt, verurteilt und gefangen
gehalten worden war, zu lange. Und nach meinem achtzehnten Geburtstag gab es
nichts mehr, was meine Mutter hätte tun können, um mich aufzuhalten.
    Die Reds waren gerade auf dem Weg zu ihrem ersten
World-Series-Erfolg nach einundzwanzig Jahren, und alle Welt begeisterte sich
für Baseball – niemand beachtete mich, wenn ich die Tage in der Stadt
verbrachte. Ich setzte mich in Cafés und blätterte die dort ausliegenden
Zeitungen mit den Kleinanzeigen durch, um mir eine Arbeit zu suchen. Ich hatte
zwar keine Ausbildung oder war mit irgendwelchen besonderen Fähigkeiten
gesegnet, aber ich wollte auch nicht wie die armen Frauen enden, die sich
tagaus, tagein in den Fabriken oder auf den Plantagen abplagten. Wenn ich
Robert nicht haben konnte, wollte ich auch keinen anderen Mann, und ich wollte
auch meiner Familie nicht länger auf der Tasche liegen. Ich würde für mich
selbst sorgen.
    Beim Durchblättern der Anzeigen wagte ich hin und wieder einen Blick
auf die Straße, weil ich hoffte, Robert zu sehen. Und irgendwann brachte ich
sogar den Mut auf, zu der Pension zurückzukehren, in der wir unsere
Hochzeitsnacht verbracht hatten. Die Hauswirtin trat erschrocken einen Schritt
zurück, als sie mich auf der Schwelle entdeckte.
    Â»Was wollen Sie?«, fragte sie. Ich erkundigte mich, ob Robert noch
dort wohne. Sie schüttelte den Kopf. »Er hat alle Sachen mitgenommen und ist
nicht mehr wiedergekommen. Ich hab ihm gesagt, ich kann ihm die Miete, die er
im Voraus bezahlt hat, nicht zurückgeben, aber das war ihm egal.« Sie legte den
Kopf ein wenig schräg. »Sind Sie deswegen da? Wenn ja, kann ich nichts für Sie
tun.«
    Ich versicherte ihr, dass ich nicht des Geldes wegen da sei, fragte
jedoch nach dem Fingerhut. Sie sagte, sie hätte keinen gefunden. Hoffentlich
hatte Robert ihn eingesteckt. Die Frau schloss so schnell wie möglich die Tür
hinter mir.
    Sarah Day dagegen bat mich herein und umarmte mich. Obwohl ich ihr
nichts von dem Kind erzählte, schien sie Bescheid zu wissen, denn sie musterte
verstohlen meine Hüften und Brüste. Auch sie konnte mir nichts Neues verraten:
Sie und Reverend Day hatten Robert seit dem Tag nach unserer Hochzeit nicht
mehr gesehen oder gesprochen.
    Ich spielte mit dem Gedanken, Roberts Haus und die Kirche mit der
Laube aufzusuchen, wo wir uns das erste Mal geküsst hatten, aber die Furcht
lähmte mich. Ich wusste nicht, wie Cora und Nell reagieren würden. Ich war mir
nicht einmal sicher, ob Robert mich sehen wollte. Ob er ahnte, dass meine
Mutter mich gefangen gehalten hatte? Und dass wir eine Tochter hatten?
    Obwohl ich auf eine Wendung des Schicksals hoffte, die uns wieder
zusammenbringen würde, fand

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