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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kibler
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Mutter, was du beschlossen hast, damit du in
Frieden gehen kannst«, versprach er. »Es tut mir leid … alles.«
    Fast hätte ich die Arme um seinen Hals geschlungen wie als Kind,
aber ich brachte es nicht über mich. Ich war kein Kind mehr.
    Geld. Entschuldigungen. Endlich Aufbegehren gegen meine Mutter.
Sogar seine Selbstverachtung, all das reichte nicht.
    Â»Isabelle?«
    Ich blieb an der Tür stehen.
    Â»Weißt du noch, wie du mich damals nach dem Schild an der
Stadtgrenze gefragt hast?«
    Ich nickte argwöhnisch.
    Â»Wir sind nicht der einzige Ort mit einem solchen Schild.«
    Das wusste ich von Ausflügen mit dem Auto.
    Â»In Shalerville«, fuhr mein Vater fort, »hielt man das seinerzeit
für die beste Lösung. Früher haben die aufrichtigen Bürger unserer Stadt noch
jeden Neger von hier verjagt.« Bei dem Wort »aufrichtig« verzog er die
Mundwinkel.
    Ich machte große Augen. In Shalerville hatten einmal Schwarze
gewohnt? Warum hatte man sie vertrieben?
    Â»Es war eine Zeit der Angst. Die Leute wussten nicht, was sie mit
den befreiten Negern anfangen sollten. Sie fürchteten, dass sie ihnen Land und
Arbeit streitig machen könnten, und dachten sich deshalb Gründe aus, sie zu
verjagen – falsche Anschuldigungen, die ganze Gemeinden zum Sündenbock für die
Verfehlungen eines Einzelnen machten. Anders in Shalerville. Man gab den Negern
eine Woche zum Packen und Verschwinden. Es waren sowieso nicht viele, und sie
waren genauso lange hier wie die weißen Familien.« Er schüttelte den Kopf.
»Coras Familie arbeitet seit Generationen für die Ärzte von Shalerville.«
    Das hatte Cora erwähnt.
    Â»Coras Vorfahren waren Eigentum der Ärzte, die hier praktizierten,
Sklaven. Als sie in die Freiheit entlassen wurden, entschieden sie sich zu
bleiben. Sie waren fleißige, loyale Kräfte, und die Ärzte erwiesen sich als
gerechte Arbeitgeber und zahlten ihnen einen anständigen Lohn. Cora und ihre
Brüder sind in dem kleinen Haus im hinteren Grundstück zur Welt gekommen und
aufgewachsen. Doc Patin war besser als die meisten Leute hier. Als Coras
Familie gehen musste, gab er ihr Geld für das Häuschen und half ihr, ein neues
in einer sicheren Gegend zu finden. Er war nicht mit der Politik des Ortes und
den Schildern einverstanden, wurde aber überstimmt. Offiziell ging es darum,
die Stadt schöner zu machen. Nicht auszudenken, was mit Coras Familie geschehen
wäre, wenn sie sich nicht gefügt hätte.«
    Was mein Vater erzählte, sollte mir als Warnung dienen: Wenn mir
Roberts Familie wichtig war, wenn ich sie in Sicherheit wissen wollte, konnte
ich nie mit ihm zusammen sein. Und es war mehr als eine Warnung. Ich musste
schwer schlucken. Eine Familie hatte einst wegen blinder Vorurteile und
Ignoranz ihr Zuhause verloren. Und nun war auch noch eine lange Tradition von
einem Arbeitsverhältnis und gegenseitigem Respekt, viele Generationen alt,
beendet worden.
    Von meiner Mutter. Und von mir.
    Am Samstag packte ich, diesmal deutlich mehr als bei meinem
ersten Abschied. Ich verwendete wieder meinen kleinen Koffer und bekam von
meiner Mutter eine Reisetasche. Ich nahm nur wenige kleine Erinnerungsstücke
mit. Alles andere steckte ich in eine unbeschriftete Kiste, die ich in einer
Ecke des Speichers verstaute.
    Vater hielt Wort: Ich konnte ohne Angst und in Frieden ziehen. Meine
Brüder machten sich rar wie immer. Ich ließ die kurze Umarmung meines Vaters
über mich ergehen und wurde von meiner Mutter mit einem zurückhaltenden Nicken
verabschiedet. Sie sah mir nicht einmal nach.
    Bald schon spielte sich eine Routine ein. Arbeiten und nach
Hause. Arbeiten und nach Hause. Ich entsprach Rosemary Clinckes Vorstellung von
einer ordentlichen Mieterin, indem ich morgens früh aufbrach und abends vor
Sonnenuntergang zurückkam. Meine Bereitschaft, ihr zur Hand zu gehen, gefiel
ihr – ich stellte mich an den Herd oder deckte den Tisch, während sie sich dem
Haushalt oder ihren Kindern widmete, die immer mehr zu werden schienen. Zum
Glück hatte sie kein Baby – das hätte mich zu sehr an meinen Verlust erinnert.
    Sie schien zufrieden zu sein mit ihren Kindern und ihrem Mann, der,
wenn er von seiner Arbeit in einer Maurerbrigade nach Hause kam, den Größeren
den Kopf tätschelte oder die Kleineren, die vor Vergnügen kreischten, in die
Luft warf.
    Doch eines Tages sagte Rosemary zu

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