Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
Robert noch an
mich?
»Könnte sein«, erwiderte sie nur, aber ich bin mir sicher, dass sie
meinen Atem hat stocken hören.
Sie wandte sich mit gesenktem Blick zum Gehen; der Augenblick war
für uns beide zu unerträglich.
Ich sah ihr nach, und sowohl ihre Körperhaltung als auch ihre
ausweichende Antwort machten mir allzu deutlich bewusst: Robert war
weitergezogen â in mehr als nur einer Weise.
ZWEIUNDDREISSIG
DORRIE, GEGENWART
Ich konnte nicht glauben, dass Robert sie so schnell vergessen
hatte. Selbst wenn er weitergezogen war, selbst wenn er eine Freundin hatte,
dann sicher weil er mit seiner geliebten Miss Isabelle nicht zusammen sein
konnte.
Es war noch nicht mal Mittag, als wir in Cincinnati ankamen. Miss
Isabelle wollte ein paar Orte aufsuchen, von denen sie mir während der Fahrt
erzählt hatte. Sie wollte sehen, wie sich die Stadt verändert hatte, seit sie
fortgezogen war. Ich war mir nicht sicher, ob ihr das guttat, aber ich lieÃ
mich von ihr leiten. In der Innenstadt waren die StraÃen schmal und voller
Leute und die Häuser standen dicht beieinander.
Ich hielt vor dem Haus der Familie Clincke, die vor dem Niedergang
der Gegend in einen Vorort gezogen war. Viele Gebäude in diesem Bezirk hatte
man in Wohnungen oder billige Pensionen umgewandelt. Erst jetzt wurden wieder
Einfamilienhäuser daraus. Das alte Gebäude war frisch gestrichen und hatte
Blumenkästen vor den Fenstern wie in Miss Isabelles Zeit. Sie deutete in den
obersten Stock, zu dem eine Feuerleiter hochging. »Da habe ich fast ein Jahr
lang gewohnt.«
AnschlieÃend fuhren wir zu einem altmodischen Viertel mit hohen
Bäumen, zu einem roten Ziegelhaus mit Spitzdach und Veranda, die halb um die
Vorderseite reichte. Eine grün-weià gestreifte Markise beschattete zwei
Fenster, eine schmale Auffahrt führte zu einer Garage hinterm Haus. Es sah sehr
gepflegt aus, möglicherweise sogar noch wie vor mehr als fünfzig Jahren, auch
wenn es von riesigen Rosensträuchern umringt war. Miss Isabelle bezeichnete es
als »Cape Cod«.
»Ich dachte, Cape Cod ist an der Ostküste«, sagte ich.
»Es ist im Cape-Cod-Stil gebaut.«
»Und Sie haben in diesem Cape-Cod-Haus gelebt?«
»Das ist nicht nur eine Tour zu den architektonischen
Sehenswürdigkeiten der Stadt.« Ihr Blick war beinahe zärtlich, während sie das
Haus betrachtete, aber ihre Mundwinkel waren voller Bitterkeit nach unten
gezogen.
»Nach den Clinckes, oder? Haben Sie hier bei einer anderen Familie
gewohnt?«
»Ja. Fünf oder sechs Jahre lang, bevor wir nach Texas gezogen sind.«
»Wir?«
Ohne auf meine Frage einzugehen, bat sie mich, zu einem kleinen
Lokal, dem Skyline Chili Parlor, zu fahren, und bestellte mir ein Cincinnati
Four Way â einen groÃen Teller Spaghetti mit Chili, Cheddarkäse und Zwiebeln.
Das Chili schmeckte hier irgendwie anders, als ich es gewohnt war, nach Zimt â¦
oder Schokolade. Miss Isabelle entschied sich für ein Coney, einen einfachen
Hotdog. Sie persönlich mochte lieber Dixie Chili, erklärte sie, aber das bekam
man nur auf der anderen Seite des Flusses. AuÃerdem hätte sie nach so etwas
Scharfem in der Nacht nicht schlafen können. Ich aà artig mein Four Way auf,
und während mir im Wagen der Magen grummelte, erklärte Miss Isabelle den Weg
zur Pension.
Die Inhaberin entschuldigte sich dafür, dass wir für die
vorhergehende Nacht zahlen mussten, aber das wären nun mal die Vorschriften.
Miss Isabelle zuckte bloà mit den Achseln.
In unserm Zimmer standen zwei Doppelbetten mit dicken Decken und
Kissen, die altmodisch gemustert waren. Nach den einförmigen Hotelbetten, in
denen wir bis dahin genächtigt hatten, war das der reinste Luxus. Ich konnte es
kaum erwarten, mich hineinzukuscheln, doch bis dahin gab es noch einiges zu
tun. Zum Beispiel Miss Isabelle dazu zu überreden, sich auszuruhen. Seit wir die
Stadt erreicht hatten, wurde sie immer angespannter.
»Setzen Sie sich da rüber«, forderte ich sie auf und deutete auf
einen Stuhl vor einer alten Frisierkommode. »Wir haben fast eine Woche nichts
mehr mit Ihren Haaren gemacht. Ich will Sie ein bisschen herrichten, bevor wir
uns wieder in die Ãffentlichkeit wagen.«
Waschen und Legen konnte ich Miss Isabelles Haare hier nicht, aber
wenigstens mit dem Lockenstab und einer Bürste auffrischen. Und eine kleine
Kopf- und Nackenmassage
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