Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
konnte auch nicht schaden.
Sie setzte sich auf den Stuhl. »Ich bin müde, Dorrie.«
»Ich weië, erwiderte ich und widmete mich ihren Haaren. »Was haben
Sie mit den Dias gemacht, Miss Isabelle? Haben Sie die behalten?«
»Ja, keine Ahnung, warum. In meinem alten Taschentuch, immer ganz hinten
in der Kommode, egal, wo ich wohnte. Sie haben mich getröstet, wenn ich mich
einsam fühlte, mich nach Robert und dem Baby gesehnt habe.« Sie lehnte sich mit
geschlossenen Augen zurück und schlief ein. Nach einer Weile fingen ihre Lider
an zu zucken. Was sie wohl träumte?
DREIUNDDREISSIG
ISABELLE , 1940â1941
Eine andere berufstätige junge Frau, die ich in Cincinnati
kennengelernt hatte, fragte mich an dem Wochenende, nachdem ich Nell getroffen
hatte, ob ich Lust hätte, zu einer Tanzveranstaltung mitzukommen. Das weckte
unangenehme Erinnerungen an das Abenteuer in Newport in mir. AuÃerdem war mir
nur daran gelegen, den Tag zu überstehen und meine Miete bezahlen zu können.
Ansonsten zählte ich die Minuten, bis mir die Augen zufielen und der Schlaf
mich alles vergessen lieÃ.
»Da sind jede Menge gut aussehende Kerle«, sagte Charlotte.
»Hauptsächlich Soldaten auf dem Weg nach Fort Dix. Sie wollen noch ein bisschen
Spaà haben, bevor sie einrücken, und Mädchen finden, denen sie von der Front
schreiben können. Sonderlich ernst ist das alles nicht.« Ihr war aufgefallen,
dass ich kein Interesse an Männern hatte, aber sie wusste nicht, warum.
Ich spitzte die Ohren. Vielleicht konnte ich bei einer solchen
Tanzveranstaltung etwas darüber erfahren, wie das Leben beim Militär für
Schwarze war.
Wie sich herausstellte, erhielt ich in den Tanzlokalen keinerlei
derartige Informationen, doch ich merkte, dass ich es genoss, mich wie die
anderen jungen Frauen für die frisch geschorenen Rekruten in Schale zu werfen.
»GenieÃen« war nicht ganz das richtige Wort. Ich empfand eher so
etwas wie Erleichterung, wenn ich der Musik lauschte und tanzte. Den Männern
war es egal, wer ich war und woher ich kam. Sie interessierte nur, dass sie
mich im Arm halten und später im Ausland an mich denken konnten. Einige gaben
mir Zettel mit ihrem Namen und ihrer Militäradresse. Ich versprach wie so viele
Mädchen, ihnen zu schreiben.
Manch leichtgläubige Frau begegnete ihrem Traumprinzen schon am
ersten Abend und war bereit, mit einem Mann vor den Altar zu treten, den sie
nur herausgeputzt und mit besten Manieren kannte.
Hin und wieder wurde einer mir zu aufdringlich, weil er mich zu oft
zum Tanzen aufforderte, mich drängte, ihm meine Adresse oder ein Foto zu geben,
oder sich am Ende eines Abends mehr als nur einen weiteren Tanz erwartete. Dann
versprach ich lachend zu schreiben, erklärte jedoch, ich hätte kein Interesse
an so einer Beziehung.
Eines Abends forderte mich ein schlanker Mann in Zivil mehrmals zum
Tanzen auf, nachdem er mich von seinem Tisch aus längere Zeit beobachtet hatte.
Als ich es für an der Zeit hielt, seine nächste Aufforderung
abzuschlagen, überraschte er mich mit dem Geständnis, dass er wegen leicht
unregelmäÃiger Herzgeräusche nicht vom Militär genommen worden sei. »Bitte
verrate es niemandem. Ich rücke nirgendwohin aus.«
»Was machst du dann hier?«, fragte ich. »Die meisten Jungs wollen
sich noch so viele Mädels wie möglich angeln, bevor sie nach Fort Dix müssen.«
Er zuckte mit den Achseln. »Du würdest dich wundern, wie viele keine
Soldaten sind. Die Tanzveranstaltungen eignen sich gut, Mädchen kennenzulernen.
Eingezogen wird im Moment nur, wer einundzwanzig und älter ist. Meinst du, alle
hier sind so alt?«
Er war also ein Schwindler und hielt sich nicht immer strikt an die
Regeln â genau wie ich.
»Du hast recht. Es ist ein freies Land. Niemand kann einem
vorschreiben, was man tun oder lassen soll. Trotzdem hast du mich verblüfft.«
In den folgenden Wochen überraschte Max â so hieà er â mich noch
öfter, indem er regelmäÃig in das Lokal kam und mich zum Tanzen aufforderte.
Allmählich gewöhnten wir uns aneinander. Ich begann, mich auf ihn zu freuen,
nicht aufgeregt wie bei Robert, sondern wie auf einen Freund, auf den man sich
verlassen und mit dem man plaudern kann.
Jedes Mal fragte er, ob er mich nach Hause bringen dürfe, und
irgendwann sagte ich Ja. Doch auf dem kurzen Weg zu
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