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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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gemalt. Wenn man sie bewahren kann, wird man seine Bilder auch in tausend Jahren noch bewundern, und man wird auch dann noch sagen, siehst du, dieses Gemälde ist vom verrückten Van Gogh, der sich selbst ein Ohr abgeschnitten hat. Vielleicht würde man ihn heute gar nicht kennen, wenn nicht die Ohrensache gewesen wäre. Vielleicht war es nur ein genialer Werbegag.
    „Ich brauche einen Schluck Wodka. Bitte. Mach die Flasche auf und halte sie mir an den Mund.“
    Natürlich, gut so? Das mit dem Ohr war ein Gedanke, der mich den ganzen Tag lang verfolgt hat. Kennst du das? Wenn aus einer anfangs nur flüchtigen Idee plötzlich eine fixe wird? So fix, dass man sie praktisch schon ausgeführt hat? Ich werde dem Hanser ein Ohr abschneiden! Weil er ein Arschloch ist und weil er es verdient. Weil er mir gehört und weil ich alles mit ihm tun kann. Weil ich das, was man Hemmungen nennt, aus meinem Leben geworfen habe. Weil es nichts und niemanden gibt, der mich daran hindern kann. Siehst du? Ich wollte es tun, und ich habe es im Kopf bereits getan. Jetzt will ich es nicht mehr tun. Das Blut, dein Gewinsel. Imaginär habe ich es bereits erlebt. Und genossen. Zwinge mich nicht dazu, es auch real erleben zu wollen. Bist du bereit für das Theaterstück?
    „Danke, ich danke dir. Ja, natürlich, ich bin bereit!“
    Vorhang auf, erster Akt. Der berühmte und allseits geachtete Zeitungskolumnist und Wahrheitsfanatiker Martin Hanser tritt vor den Vorhang und beglückt das Publikum mit dem Inhalt jenes Hanserwerkes, das am 27. März 1998 in der größten Tageszeitung des Landes abgedruckt und von Hunderttausenden Menschen gelesen wurde.
    Der Titel: „Richtersohn als gnadenloser Prügelpolizist!“
    Der Text: Wer spricht endlich das Machtwort und hat den Mut, unsere Polizei von jenen untragbaren Elementen zu säubern, die alle Werte dieses ehrenwerten Berufsstandes zertrümmern, weil für sie nur eines zählt: Karriere um jeden Preis? – die Menschenwürde (der anderen) darf dabei ruhig auf der Strecke bleiben.
    Richtig, der verehrte Leser weiß, wer in diesem Fall das „Element“ ist. Wir haben an anderer Stelle ja bereits darüber berichtet. Nüchtern, korrekt und sachlich, wie es eben der Stil unseres Blattes ist. Von mir erfahren Sie mehr, ich habe mich über den Mann informiert und kann daher mit ruhigem Gewissen in seine düsteren Winkel hineinleuchten. Ludwig „Lutz“ Hofer. Einziger Sohn des gefürchteten Justiz-Hardliners Dr. Ferdinand Hofer. Seine drakonischen Strafen (viele davon mussten vom Obersten Gerichtshof später korrigiert werden) sind Legende. Der Mann ist Gott sei Dank weg, dafür haben wir nun den Sohn. Auch ultrahart, aber kein Richter, obwohl er sich offenbar als solchen sieht. Blenden wir zurück. Freitag, 0.30 Uhr, Lendplatz, ein Torbogen, der in einen kleinen Hinterhof führt. Hofer (dienstfrei, in Zivilkleidung und zu Fuß unterwegs) sagt, er habe das Wimmern eines Kindes gehört, und im Torbogen einen älteren Mann ertappt, der ein siebenjähriges Mädchen sexuell belästigt habe. Der Rest ist bekannt: Hofer, der bis zu diesem Zeitpunkt neben dem verdienten Langzeitbeamten Ferdinand Leimböck als zweiter aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Mordgruppenchefs gegolten hatte, nahm Mann und Kind in das nahe gelegene Wachzimmer Lend mit und prügelte dort „wie von Sinnen“ (Aussage eines Beamten vom Nachtdienst) auf den Mann ein, der bis zu diesem Zeitpunkt keine Chance gehabt hatte, seine Identität bekannt zu geben. Erst als mehrere Uniformierte des Postens das brutale Verhör gestoppt hatten, stellte sich heraus, dass es sich bei Hofers Prügelopfer um den Präsidenten des steiermärkischen Landtages, Dipl. Ing. Dr. Hugo Mauerhofer, handelte. Weiters war bald klar, dass es sich bei dem Kind um eine Enkelin des Präsidenten handelte, dass das Kind zuvor bei den Großeltern war, dort übernachten sollte, aber plötzlich Albträume bekam und der Opa gerade dabei war, das Kind zu Fuß zur nahen Elternwohnung zu bringen. Die Kleine befand sich noch immer in einer Art Halbschlaf, deshalb auch das Stöhnen.
    Hofer, der offenbar wusste, um wen es sich bei seinem Opfer handelte, hatte natürlich nichts anderes im Sinn, als einen prominenten Namen zur eigenen Profilierung zu nutzen. Er sah wahrscheinlich die Schlagzeile bereits vor sich: „Landtagspräsident als Kinderschänder – mutiger Polizist deckt den Skandal auf!“ Stimmt, es ist ein Skandal. Aber dieser Skandal trägt nur einen Namen:

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