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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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Schlange. Einer schwitzenden Schlange. Einer schwitzenden Riesenkobra, einer Naja naja, um genau zu sein. Die vom Ast einer Weymouth-Pinie baumelte und mit gespaltener Zunge . . . nein, nein, das nicht, die mit gespaltener Zunge sich selbst Frischluft zufächerte, sieben oder acht schmale, unendlich lange Zungenwedel, die alles vermochten, nur nicht dieses: nämlich die Fliege zu verscheuchen, die es sich unter ihrer Brille auf der linken Hornhaut gemütlich gemacht hatte und sie in einem fort kitzelte. Mit einer Pfauenfedernspitze. Obwohl die Brille doch auf dem geweiteten Rückenschild des Vorderkörpers der Naja naja sein sollte. . . naja. Wimpernklimpern? Hätte geholfen, zweifelsohne. Spielt es aber nicht bei einem starren Kobraauge. Daher also das Wedeln und Fächern, das den Staub zu ihren Beinen – Beinen? – aufwirbelte, nicht aber die leidige Fliege vom Brillenschlangengesicht. Bis es der schwitzenden Riesenkobra zu bunt wurde, sie ihren muskulösen Leib selbst zur Feder verspannte (bei weitem kräftiger als jene zwischen den Beinchen der Fliege, nur ohne Federkiel, aber auch das nur nebenbei), die Feder, ihren Körper also, mit einem blitzartigen Ruck schnellen ließ und die Fliege mit der Schwanzspitze erschlug. Und sich selbst dazu. Und vom Baum fiel.
    Ich hatte geträumt.
    Von sechs, sieben achtlos zertretenen russischen Reiseparadeisern. Zertreten unter einem Damenschuh.
    *
    „Ist das Ihre Variante eines Blumengrußes?“, fragte Bela Schmaus. Ich hatte sie vor dem Abgang zum Innenhof des Paulustors abgefangen. Nun stand sie vor mir, brach eine Spalte aus einem von drei Reiseparadeisern, die ich ihr mit feierlicher Beiläufigkeit überreicht hatte, schob sie in den Mund und kaute prüfend darauf herum. „Sie haben guten Geschmack.“
    „Danke“, sagte ich erfreut.
    „Die Paradeiser“, sagte sie und lächelte verschmitzt.
    „Was halten Sie davon“, fragte ich.
    „Habe ich das nicht eben gesagt?“
    „Ich meine die Ergebnisse“, entgegnete ich. „Die Ergebnisse der Besprechung?
    Erste Strahlen der kraftlosen Oktobermittagssonne brachen über das Dach in den vierstöckigen Paulustorinnenhof. Es war kurz vor zwölf Uhr.
    „Die Sache mit dem Hauptpostamt. . .“, hob sie zögerlich an, „ich meine . . . äh, also das mit der Küchenrunde im Tokio, Sie wissen noch?“
    Ich nickte.
    „Was ich da gesagt habe, war Unsinn. Natürlich ist es verdächtig, wenn sich ein Unbekannter unter einem Vorwand Zutritt zu einer Restaurantküche verschafft und ein Sushi-Messer verschwindet, das später im Rücken eines Stadtrates auftaucht. Noch dazu, wenn danach ein Mann, auf den dieselbe Beschreibung passt, bei der Post erscheint und ein Fax abschickt. Einen Brief, der beim Chefredakteur der Guten landet und sich als Kolumne des Mordverdächtigen Martin Hanser entpuppt.“
    „Vielleicht war es nur ein wenig verallgemeinernd?“, warf ich das Versöhnungsholz mit beschwichtigender Geste. SMS, e-Mail und all der Kram, da wird nicht mehr viel gefaxt, hat die Dame vom Hauptpostamt gesagt, hatte der Kollege vom mörderischen Erkennungsraub berichtet, dachte ich, und wenn dann ein alter verschrobener Knacker hereinschneit bei der Türe, alt schon, aber kräftig, außergewöhnlich kräftig, ungewöhnlich außergewöhnlich kräftig, dass du dir denkst, der braucht seinen silberbeknauften Stock bestenfalls, um sich den Weg zum Schalter freizuschlagen, hatte sie weiter ausgeführt, dann, ja dann schaltet die gute alte Waltraud, hatte sie zum Kollegen gesagt, ihr Hirn auf Speichern. Da macht es klick im Oberstübchen der alten Waltraud, weil es bei der Post ohnedies nicht mehr allzu viele Gelegenheiten gibt, wo es klick macht, heutzutage, hatte die Waltraud zum Kollegen gesagt, memorierte ich.
    „Nein“, rief sie. „Es war Unsinn. Ich bestehe auf meinem Unsinn. Man muss darauf bestehen, dass Unsinn Unsinn ist und Unsinn Unsinn bleibt, verstehen Sie? All diese Schönrederei rund um eigene Fehlbarkeiten und Versäumnisse.“
    Ehe ich antworten konnte, sprach mein Leib mit einem dumpfen Knurren zu mir. „Apropos Versäumnis, Frau Kollegin, wir sollten es nicht verpassen, unserem Körper Gutes zu tun“, sagte ich, presste Daumen gegen Zeigefinger und durchschnitt in der Luft ein imaginäres Stück Schweinsbraten.
    Schmaus ließ die rechte Hand über ihren Magen kreisen, wie um den Inhalt per Echolot zu bestimmen. „Ich habe heute noch gar nichts zu verdauen“, sagte sie, ließ mich im Unklaren, ob nun das positive

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