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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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„Sicher interessiert mich der Fall, Leimböck, wen denn nicht. Aber weißt eh, mit Namen hab ich es nie so gehabt.“
    „Stimmt“, hielt ich dagegen. „War nie deine Stärke.“
    Hofer schwieg. Der Tormann sprang ins linke Eck. Der Stürmer schoss ins rechte. Die Sturmgemeinde pfiff. Die Rapidgemeinde sang. Null zu eins. Und das so kurz vor der Pause.
    *
    „Bereust du es?“ fragte ich, als ich nach endlosem Schlangestehen mit zwei übereinander geschichteten Käsekrainer (einmal mit Bohnenpfefferoni, endlich wieder die von Hengstenberg) in der Linken und zwei Pappbecherbieren, mit Daumen und Zeigefinger der Rechten an den Innenrändern tief unterhalb der Schaumkrone zusammengepresst, vom Stadionbuffet in den Kieberersektor zurückkehrte. „Dass du mitgegangen bist, meine ich.“
    Belas Haar wippte im Abendwind, der durch die Ränge fuhr, und sie blickte mich von unten heraus an, während sie die unter der prallen Haut eitrig glänzende Wurst fachfraulich inspizierte und am Becher zu nippen begann. Ihr Kopf wogte leicht hin und her. „Dieser Schutz-Lutz“, sagte sie, „dein Freund war der nicht gerade, oder?“
    „Wie kommst du darauf?“
    „Weil er dich in einem fort mustert“, sagte sie. „Er beobachtet dich. Mehr als das Spiel da unten.“
    „Alte Hassliebe“, sagte ich. „Er wollte immer den Job, den ich jetzt habe. Aber er hätte nicht dazu getaugt. In mancher Hinsicht hatte er zuviel Biss. Da bringst du es nicht weit bei der Polizei. Außerdem: Soll er mich ruhig anschauen. Da unten gibt‘ s ja eh nix zu sehen?
    „Der erste Biss entscheidet“, sagte Bela und fügte, als ich die Augenbrauen zum Zirkumflex hochzog, mit Blick auf die Käsekrainer postwendend hinzu: „Beim ersten Biss wird ein Großteil der Spannung abgebaut. Bei der gekochten Variante, nicht bei der vom Grill. Da fällt die Entscheidung, ob der Käse nur auf deine Brille oder auch ins Gesicht deines Gegenübers spritzt. Wichtig ist, mit offenem Visier zu kämpfen. Mit gefletschten Zähnen. Ohne Schutzschild. Also die Wurst ja nicht mit den Lippen abschirmen. Alte Wurstelstandphilosophie.“ Dann ließ sie die Haut herzhaft krachen.
    Mit dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit waren alle wieder auf ihren Plätzen. Die Schwarzweißen, die zwölf Kollegen der Sondereinheit, die sonst auch immer da waren, wenn es im Schwarzenegger Stadion was zu schreien und fluchen gab, die grünen Säue, die schwarze Sau und der Hofer, die arme Sau.
    „In deiner Haut möchte ich nicht stecken“, raunte Hofer schräg von hinten.
    „Meinst du die Wurst oder mich?“, fragte ich.
    „Beide.“ Hofer grinste verlegen, als ich mich ihm zuwandte. „Der Druck muss doch enorm sein, oder?“
    „Du musst ihn nur gut verteilen, Hofer. Und so zubeißen, dass es die Richtigen erwischt.“ Warum sage ich denn ständig Hofer und nicht Lutz, dachte ich, wo doch der Hofer immer der Lutz war, und manchmal, wenn er auf die Palme steigen sollte, war der Lutz eben der Ludwig, Herr Ludwig, bis der Lutz (Ludwig) auf einmal der Schutz-Lutz war. Da war es dann vorbei mit dem Lutz, und was übrig blieb, war der Hofer.
    „Du wirst das schon machen, Leimböck. Akribie und Intuition sind doch deine Stärken.“
    Da schau her, dachte ich, der Hofer in später Einsicht. Das hätte uns beiden in früheren Tagen einiges erspart. „Ja“, sagte ich, „aber mit der Intuition allein kommst auch nicht weit. Für den Richter zählt nur, was in den Akten steht. Du kennst das doch: Quid non est in acto non est in mundus.“
    Hofer verzog das Gesicht. „Das kann man so nicht sagen? „Was kann man so nicht sagen?“
    „Heißt es nicht: Quod non est in actis non est in mundo? War ein Leibspruch meines Alten?
    „Jessas, der alte Hofer. Richter Gnadenlos“, rief ich. „Hätte ich fast vergessen. Naja, Latein war noch nie meine Sache.“ Großer Jubel umlief die Ränge im Oval. Die schwarze Sau hatte endlich einmal gegen eine grüne Sau zur Pfeife gegriffen. Torraub. Rote Karte. Elfmeter. Das Stadion ein einziger Hexenkessel. Und . . . verschossen. Stümperhaft vernebelt. Stürmerhaft stümperhaft. Sturmgrazhaft eben. Und als hätte einer den Stöpsel herausgezogen, floss der ganze schöne große Jubel aus dem Hexenkessel ab. In den schmalen Siphon. In die Kurve schräg gegenüber. In die Kurve der Grünweißen aus Wien. In den Ausguss also.
    „Scheiß Partie“, rief ich. Die gute Laune war wie verflogen. Und der Hofer auf einmal auch. Klassischer Opportunist, dachte ich, der hält

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