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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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wäre. Ganz sicher ist auch er ein Schleimböck-Opfer. Zu gut, um sich wirklich entfalten zu dürfen. Arbeitet brav und gewissenhaft im Hintergrund und Schleimi schöpft den Rahm ab. Servus Hofer, sagt der Dicke, er ist verlegen und ich spüre es. Die Begegnung ist ihm peinlich. Er sagt nur, Servus Hofer, dann dreht er sich wieder weg. Der Dicke weiß, wie übel man mir mitgespielt hat. Weil er ganz genau weiß, wie übel man ihm selbst mitspielt. Wehre dich doch, schreit es in mir. Wehre dich, du fette, feige Sau. Er hätte ein Verbündeter sein können, aber ich empfinde in diesem Augenblick nur Verachtung für ihn. Er hat mir damals nicht geholfen, und ich werde ihm jetzt nicht helfen. Wenn ich mit der ganzen Sache fertig bin, könnte er dort sitzen, wo der Schleimböck jetzt sitzt. Aber er wird es nicht. Weil es andere geben wird, die ihm auf den Kopf scheißen. Es wird immer wieder Schleimböcks geben, Ratten vermehren sich, die sterben nie aus.
    Leimböck, sage ich und lege die Hand auf seine Schulter, ist verdammt lange her. Er zuckt zusammen. Ich spüre es in meiner Hand und es tut mir wohl. Mieses Arschloch!
    *

„Die mit dem Längsten sind nicht unbedingt die besten“, sagte ich. „Es ist eine Frage der Technik, weißt du? Faul, du grüne Sau!“ Meinem Schrei folgte ein prüfender Blick, der unverwandt auf mir lag. Unverwandt, dachte ich, darüber sollte ich auch einmal nachdenken, ob denn der unverwandte Blick das Gegenteil des verwandten ist und dabei der unverwandte der beziehungslose und der verwandte der beziehungsreiche? Oder ist doch das Unverwandte das Beziehungsstiftende und das Verwandte das Ende aller Beziehung? Wenn ich da an meine Schwager denke, nun ja. „Die grüne Sau“, setzte ich zur Erläuterung nach, „ist der mit dem grünweißen Trikot und der Nummer acht auf dem Rücken, der dem Schwarzweißen, der jetzt am Boden liegt, mit den Stollen seiner Schuhe das Gemächte massiert hat. Die schwarze Sau hingegen ist der in der Mitte, ohne Rückennummer und mit der Pfeife im Mund?
    „Und wann ist die schwarze Sau eine besonders schwarze Sau?“
    „Im Prinzip immer“, sagte ich. „Vor allem aber dann, wenn sie nicht pfeift, so wie jetzt. Oder wenn sie zu oft pfeift. Oder falsch.“
    „Soso.“
    „Ja. Aber wir waren bei der Technik, nicht wahr? Also: Die Besten sind die, die ihre Finger richtig einzusetzen wissen. Die Stellung ist entscheidend. Frag Michelin, der will es mir seit Jahren nachmachen und bringt es nicht hin. Stimmt‘s, Michelin?“
    Bela Schmaus schien nicht zu wissen, was sie mehr amüsierte: das farblose Spiel der Schwarzweißen dort unten auf dem Rasen, die unbeherrschten Flüche, die aus allen Ecken des Kieberersektors auf dem Weg zum Spielfeld auf ihrem Wiener Vorstadttrommelfell zwischenlandeten, oder meine Ausführungen, was die beste Technik betraf. Die beste Technik für den besten, weil schrillsten Fanpfiff im Fußballstadion.
    „Der echte Fan“, fuhr ich an Bela gerichtet fort, „ist der, den der schrille Pfiff nicht abschreckt, sondern motiviert, es noch schriller zu tun. Nicht so wie die Pfeife da links hinter mir, die sich die Ohren zuhält? Von irgendwo kenne ich die Visage dieser Pfeife doch, dachte ich, und drehte den Kopf ein wenig zur Seite, das ist doch . . . da schau her, der Hofer. „Hofer?!“
    „Ja“, sagte er. Er wirkte gedämpft wie eine Scheibe pochierter Lachs. „Ich bin‘s. Wieder einmal. Ich habs ohne Sturm versucht, aber es geht wohl nicht. Macht irgendwie süchtig, der Klub. Bin halt wieder da. Habe die Ehre.“
    „He!“, rief ich und zupfte Michelin am Arm. „Schau, wer da ist!“
    „Servus Hofer“, sagt Michelin und wandte sich prompt wieder dem Spiel zu. Merkwürdig, dachte ich, dass dem Michelin ein alter Kollege, der sich seit Jahren nicht mehr auf dem Platz hat blicken lassen, nicht mehr wert ist als ein schlichtes Servus.
    „Leimböck“, sagte Hofer und legte die Hand auf meine Schulter. „Ist verdammt lange her, dass wir uns gesehen haben.“ „Kann man wohl sagen“, sagte ich. Warum zucke ich denn zusammen, dachte ich, wenn mir der Hofer auf die Schulter greift? „Hab dich größer in Erinnerung, Hofer. Liegt das an dir oder bin ich weiter gewachsen?“
    Hofer machte eine unwissende Geste.
    „Eierkopf! Nicht du, Hofer, der da unten, der Neue. Wie heißt er noch mal?“
    „Mich darfst nicht fragen, Leimböck“, sagte Hofer. „Weißt eh, bin ein bisserl weg vom Schuss. Ich muss erst wieder reinfinden in die

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