zuadraht
eingesteckt. Unverkennbar etwas Japanisches. Heute früh hat es der Leimböck im Klausberger gefunden. Hanser, Tokio, Sushi, das Messer? Klar? Leider gibt es heute kein Sushi, nur ein bodenständiges Dosengulasch vom Meisterkoch Inzersdorfer. Dafür sind die Sorger-Semmeln fast frisch.
„Schuhschi? Du hast ja keine Ahnung, was ein gutes Susssch. . . Sisch . . . ist ja egal, du haaast kein Recht, so etsswas Edles, also es haaandelt sich dabei um rooohen Schusch, ich meine Fisch
Gulasch, heute gibt es Gulasch, verstanden, du besoffenes Schwein? Keinen rohen Fisch, sondern gekochtes Fleisch. Ich stelle den Teller auf den Tisch, dazu gibt es einen Plastiklöffel. Zwei Semmeln und eine Plastikflasche mit Mineralwasser. Höre mir gut zu. Wie du siehst, habe ich auch einen sauberen Toilettenkübel mitgebracht. Wenn du wieder nüchtern bist, kannst du auch die Kleidung wechseln. In diesem Plastiksack findest du saubere Unterwäsche, eine Hose und ein frisches Hemd. Als Quartiergeber will man später schließlich keine üble Nachrede haben.
„Schschpäter. . . was ist schschpäter. Ich lllade dich ins Toookio ein. . .“
Küche, Samstagabend
Küche, Samstagabend
Mein Gott, wie durchschaubar Menschen doch sind, wenn man sie aufmerksam studiert. Ich habe mich in Hansers Leben eingeschlichen und alles über ihn gesammelt. Jetzt, wo ich ihn habe, kann ich in ihm lesen, wie in einem offenen Buch. Seit dem Augenblick der Erkenntnis war ich, wann immer es ging, in seiner Nähe. Geistig, weil ich alles, was er geschrieben hat, Zeile für Zeile gelesen habe. Alle Hanser-Kolumnen sind im Internet-Archiv seiner Zeitung zu finden. Schließlich ist er ja der Starkolumnist des Blattes. Und auch körperlich. Ich war manchmal da, wenn er morgens sein Haus in Andritz verlassen hatte und war ihm im Auto bis zur Redaktion gefolgt. Nicht, weil ich mir davon große Erkenntnisse erwartet hatte, aber ich weiß jetzt zumindest, wie er Auto fährt. Viel zu schnell, rücksichtslos, hält nie an Zebrastreifen für Fußgänger an, fährt grundsätzlich noch bei Gelb über jede Kreuzung. Ein Arschloch am Steuer, das gnadenlos auf die Hupe drückt, wenn der Vordermann bei Grün nicht gleich losfährt.
Zum Mittagessen ging er fast immer allein und um punkt zwölf Uhr in das Cafe Braunstein. Nur selten leisteten ihm Kollegen oder Kolleginnen dabei Gesellschaft. Dürfte in der Redaktion nicht allzu beliebt sein, der Herr Starkolumnist. Ein Toast, ein paar Brötchen, dazu ein Glas Bier und ein doppelter Wodka, Marke Absolut. Dann zurück an den Schreibtisch. Ein-bis zweimal pro Woche setzte sich Hanser vormittags jedoch ins Auto und fuhr nach Mariatrost zum Häuserl im Wald, einem feinen, aber abgelegenen und bereits im Grüngürtel der Stadt liegenden Restaurant. Dort gab es dann bei Bier und Schnaps Geheimtreffen mit irgendwelchen Informanten. Kolumnisten brauchen nicht sehr lange für ihre Arbeit, wenn sie den Stoff dafür haben. Hanser verließ die Redaktion selten nach 15 Uhr. Trotz Ex-Ehefrau und Sohn hatte ich anfangs den Verdacht, dass er schwul sein könnte. Der hat sich jedoch nie bestätigt. Ich habe ihn nach der Scheidung allerdings auch nie mit Frauen gesehen. Wahrscheinlich fällt er heute in die Kategorie der Asexuellen. Diese Menschen, für die der Sex im Leben keine Rolle spielt. Sie sind grenzenlos eitel und finden ihre Befriedigung darin, bewundert zu werden. Nach 15 Uhr ging Hanser regelmäßig auf Bewunderungs-Tournee durch mehrere, ausgewählte Lokale. Das Tokio gehörte ebenso dazu wie das Promenade oder das Operncafe. Hier ließ er sich nieder und langsam voll laufen, während Menschen eintrudelten und ihm unterwürfig ihre Aufwartung machten. Herr Redakteur hin, lieber Martin her, großartig, deine letzte Kolumne, zum Glück gibt es einen, der ungeschminkt die Wahrheit schreibt, was wäre diese Stadt ohne dich. Es war zum Kotzen. Dass die anderen für seine Drinks bezahlten, war klar. Sie rissen sich sogar um dieses Privileg und glänzten vor Freude, wenn er es ihnen gewährte. Gegen 18 Uhr war der Starkolumnist meistens so voll des Schnapses und des Lobes, dass er sich zufrieden per Taxi zur Redaktion kutschieren lassen konnte. Dort wankte er dann zu seinem geparkten Auto und steuerte es mit der Routine des Dauertrinkers relativ geradlinig nach Hause. Ein schönes Einfamilienhaus am nördlichen Stadtrand, nicht mehr ganz in Andritz, aber noch nicht ganz in St. Veit. Eine ruhige Gegend, die deshalb auch ihren Preis hat. Die
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