zuadraht
genießen darf. Dieses besteht natürlich hauptsächlich darin, den Hauptverursacher leiden zu sehen. Zuallererst physisch. Die Sache mit dem Daumen war von Anfang an eingeplant. Damit habe ich ihn mit einem Schnitt zum Krüppel gemacht. Ich bin zwar kein wirklicher Hüne, aber wohl stark genug, um auch mit einem gesunden Hanser fertig zu werden, aber man kann nie wissen. Angst kann auch einem Zwerg Riesenkräfte verleihen. Okay, es war nicht nur das Sicherheitsdenken, weshalb ich es getan habe. Ich wollte auch das erleben, woran ich jahrelang nur gedacht hatte – er sollte leiden.
Es hat mir Spaß gemacht. Richtiges Vergnügen. Ich hätte mir das zuvor nie in dieser Intensität vorstellen können. Dein menschliches Eigentum stirbt nicht, es darf mit einem kleinen Handicap weiterleben, aber es leidet. Der Schmerz schießt ihm wie ein Feuerschwert ins Hirn. Huch, das klingt ja fast poetisch. Aber so ähnlich wird er wohl sein, sein Schmerz. Und dann die Demütigung. Der große Hanser verwandelt sich langsam in einen schleimigen Wurm. Weil du es willst. Weil es deine Art von Gerechtigkeit ist.
Er weiß nicht, dass ich ihn am Monitor beobachte, vielleicht weiß er es doch, hat aber erkannt, dass ihm dieses Wissen nichts nützt. Es ist zwar die Intelligenz, die den Menschen vom Tier unterscheidet, wenn man den Menschen aber im Käfig hält, dann muss mit zunehmender Erkenntnis der Hilflosigkeit auch die aktive Intelligenz abnehmen. Das heißt, dass der Wille, sich aus eigener Kraft zu befreien, schrumpfen müsste, wenn man erkannt hat, dass alle Versuche in diese Richtung Kraftverschwendung sind.
Ich habe bisher noch nie einen Menschen als Haustier gehalten. Ich habe überhaupt noch nie ein Haustier gehabt. Weder Hund noch Katz. Auch hier handelt es sich um eine neue Erfahrung. Zähmen ist für den zu Zähmenden eine demütigende Erfahrung. Ich habe Hanser auch deshalb eingesperrt, weil ich ihn mir halten will. Er muss spüren, was es heißt, ein Nichts zu sein. Ein Ball, auf den man eintreten kann, wenn man damit Spaß haben will. Eine Puppe, die man gegen die Wand knallen kann, wenn einem danach ist. Er selbst hat all das jahrelang mit anderen getan. Mit mir. Er hat mich gegen die Wand geknallt, ohne mich und meine Gefühle zu kennen. Ich war für ihn ein Thema, nicht mehr. Nur Kolumnenstoff. Jetzt gehört er mir, und ich kann mit ihm tun, was ich will. Natürlich will ich seinen Willen brechen, ich will aber auch, dass sein Geist klar genug bleibt, um zu verstehen, dass es für ihn von nun an, dort draußen, kein Leben mehr gibt. Vom Medienstar zum Serienmörder. Eine herrliche Schlagzeile.
Ich habe ihm den Wodka geschenkt, weil ich gehofft hatte, die Metamorphose vom Kämpfer zum Dulder damit zu beschleunigen, und auch dieser Plan ist voll aufgegangen. Ich gebe zu, dass es mir wesentlich leichter fällt, einen lallenden Süffel zu verachten, als einen leidenden Intellektuellen. Jetzt trinkt er schon wieder. Ein halbvolles Glas in einem Zug. Bald wird eine Flasche pro Tag nicht mehr reichen. Ich muss die Dosis herabsetzen, um zu den hellen Momenten zu kommen, die ich von ihm brauche.
Ein kleiner, weißhaariger Wicht. Dicke Augenbrauen, spitze Nase, altmodische Rundbrille. Die kleinen grauen Augen haben nichts mehr von der Präpotenz, mit der der große Hanser bisher auf den Pöbel herabgeblickt hat. Sie sind milchig geworden und sie starren ins Leere. Die Hände mit den ungepflegten, gelblichen Nägeln und den langen Fingern, die von runzeliger, beinahe durchsichtiger heller Haut überzogen sind, umklammern noch immer die Wodkaflasche, obwohl sie schon längst leergesoffen ist. Er geht rastlos auf und ab. Wahrscheinlich denkt er nach, was es war, das ihn hierher gebracht hat. Was habe ich wann über wen geschrieben? Wer von meinen vielen Opfern ist er? Er weiß es nicht, und ich werde ihn weiterhin im Unklaren lassen. Weil ich weiß, dass ihn das Unwissen quält.
Oben, am Paulustor, müsste der Name Hanser mittlerweile rot blinken. Selbst wenn die DNS-Ergebnisse noch nicht da sein sollten. Die Spur ist so klar, dass sie auch der Leimböck gesehen haben muss. Er müsste mir eigentlich dankbar sein, schließlich liefere ich ihm seinen größten Fall. Starjournalist als irrer Serienmörder. Welcher kleine Provinz-Kriminalist kriegt das schon? Und noch dazu auf dem Silbertablett serviert. Du wirst berühmt, Schleimi, endlich. Dabei ahnst du gar nicht, wie genau ich dich und deine Art zu arbeiten kenne. Ich habe
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