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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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trug einen dunkelblauen Zweireiher, einen Blazer mit Goldknöpfen, dazu schwarze Lackschuhe. „Was glaubst du, hat er ihn raufgezogen oder war alles so vorbereitet, dass er ihn ins Seil hat fallen lassen?“
    „Da hat einer auf Scharfrichter gemacht. Ganz wie früher, wo sie durch die Falltüren gestürzt sind. Der Knoten ist ein perfektes Modell der Marke Henker, wie aus dem Lehrbuch und exakt an der richtigen Stelle im Nacken platziert. Wird heute eigentlich nur noch von fachkundigen Selbstmördern verwendet. Und das Seil ist am Baumstamm fixiert mit einem klassischen Slipstek.“
    „Ein Slipstek? Ich kenn nur Slapstick?
    „Ein Seemannsknoten, Ferri. Du weißt doch, wir haben von den Schwiegereltern ein kleines Boot bekommen. Und da muss ja auch einer damit fahren. Auf Zug bekneift sich der Slipstek selber, das heißt, er zieht sich zusammen. Ist das Seil erst einmal unter Belastung, kriegst du den Knoten alleine nicht mehr hin.“ Michelin hielt kurz inne. „Also muss die Henkersfalle vorbereitet gewesen sein. Außer sie waren zu zweit und einer hat ihn an den Beinen gehalten, während der andere das Seil fixiert hat. Wenn dem so ist, müssten wir im Labor irgendwelche Fremdfasern an seiner Hose finden.“ Fauler rieb mit Daumen und Zeigefinger seinen Schnauzbart. „Ich hab mir das Seil schon genauer angesehen, dort, wo es über den Ast läuft. Das ist rundherum wie fabrikneu, schaut aus wie Massenware. Hätte man ihn raufgezogen, müssten Abriebstellen in der Faserung zu sehen sein. Und abgeschabte Rindenstücke. Auf den ersten Blick betrachtet kann ich nur sagen: Da ist nix. Daher bleib ich dabei: Das war bestens vorbereitet. Und es kann auch einer allein gewesen sein.“ Fauler hielt inne, legte die Stirn in Runzeln und stieg behutsam die Sprossen herab, um den Landesrat nicht noch einmal zum Tanz zu bitten. „Gut, dass du gefragt hast, Ferri. Fast wäre ich nachlässig geworden.“
    „Du und nachlässig?“
    „Ja. Wie soll er denn raufgekommen sein, wenn er nicht raufgezogen worden ist? Fliegend? Die Arme hinterm Rücken mit Kabelbinder verschnürt? Und die Beine ebenso?“ Fauler ging in die Knie, schnaufte kräftig und begann, das Laub unter der Leiche wegzuschichten.
    „Wonach suchst du, Willi?“
    „Nach Abdrücken. Irgendwo muss er oben gestanden haben. Da, schau!“ Blatt für Blatt legte Fauler den Waldboden frei, bis drei kleine, ins Erdreich gepresste und in einem Dreieck angeordnete Quadrate zum Vorschein kamen.
    „Sieht aus wie von einem zusammenklappbaren Sessel, so einer, wie ihn Regisseure im Film verwenden“, sagte ich.
    „Vermutlich“, entgegnete Willi. „Die sind klein und handlich und passen unter jede Jacke. Jetzt im Herbst überhaupt, da fällt das gar nicht auf. Und das Seil ist auch nicht allzu dick. Das lässt sich bequem transportieren?
    Ein Schatten löste sich aus der Nebelwand und steuerte auf mich zu.
    „Kurt?“
    Kurz knurrte missmutig, blieb neben mir stehen, trat fröstelnd auf der Stelle und schlug sich die Arme in monotoner Abfolge um die Brust.
    „Wer hat ihn gefunden“, fragte ich.
    „Der da drüben mit dem Dackel.“ Er machte eine kurze, präzise Handbewegung zu einem großen dicken Umriss in einigen Metern Entfernung, an dessen unterem Ende ein kleinerer, aber nicht minder dicker Umriss kauerte.
    „Es sind immer die mit den Hunden“, sagte ich.
    „Schade, das mit dem Nebel“, erwiderte Kurz. „Sonst hätte er trotz schlechter Aussichten, was seine Lebensplanung betrifft, doch noch eine gute Aussicht gehabt, so ganz zum Schluss.“ „Sag’s noch einmal, ein bisschen lauter, Kurt“, zischte ich ihm entgegen. „Dann könnens die zwei Vögel für ihre noch schlafenden Redakteure notieren. Als Zitat vom stellvertretenden Leiter der Mordgruppe. Das wirkt immer.“ Kurz funkelte mich durch seine Marmeladebodengläser aus großen, starren Augen an. Da ist er wieder, dein Nimm-dich-in-Acht-Ferri-Blick, dachte ich, dieser Wer-im-Glashaus-sitzt-Blick. „Zwei ermordete Politiker innerhalb eines Tages. Du weißt, was das zu bedeuten hat, Kurt?“
    Kurz nickte. „Sonderkommission und BKA.“
    „Richtig“, sagte ich. „Und die vom Bundeskriminalamt werden, wie uns die Erfahrung lehrt, sich gar nicht erst schlau, sondern gleich unheimlich wichtig machen. Und dazu werden uns die Medien vor sich herprügeln und vorführen wie einen russischen Tanzbären, verstehst du? Das heißt, wir sollten die Angelegenheit vom Tisch haben, noch ehe die Wichtigtuer aus

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