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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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könnte.
    Bei den beiden ersten Hinrichtungen ist es mir ganz gut gelungen. Ich musste jeweils ja nur eine Aufgabe lösen, auf die ich mich bestmöglich vorbereitet hatte. Jeden Schritt bin ich im Kopf dutzende Male durchgegangen. Das zuvor Gesammelte lag stets übersichtlich ausgebreitet vor mir, in einzelne Sektionen unterteilt, da kann einen nichts verwirren, da muss man nur Schritt für Schritt vorgehen. Der Kopf muss klar sein, das ist das Allerwichtigste. Der einzige Unsicherheitsfaktor ist das Objekt selbst. Man kann zwar versuchen, dessen Reaktionen vorauszuahnen, aber man kann sie bei der Planung nicht dort platzieren, wo das Gesammelte liegt, nämlich im Feld der Fakten. Man legt sie also ins Feld der Unsicherheiten, und man muss versuchen, dieses so klein wie möglich zu halten.
    Zu den Unsicherheiten gehört zum Beispiel eine plötzlich auftretende Naturerscheinung, wie etwa ein Wolkenbruch. Oder ein Verkehrsunfall, der zu einem Stau führt. Oder eine Reifenpanne. Für diese Art von Unsicherheiten muss man zusätzliche Zeitpolster einbauen, dann kann das Unternehmen trotzdem noch wie geplant verlaufen. Werden diese Zeitpolster auch nur um fünf Sekunden überschritten, sollte man das Unternehmen sofort abblasen. Alles andere wäre ein unnötiges Risiko!
    Bei der Arbeit am Objekt ist es anders. Hat man sich ihm so weit genähert, dass es das Vorhaben erkannt hat, dann ist der Punkt ohne Wiederkehr erreicht, dann muss man die Sache in jedem Fall durchziehen.
    Ich habe in beiden Fällen ein sehr einfaches Rezept gefunden, das ich mir vorher zurechtgelegt und in allen Details in meinem roten Büchlein festgehalten hatte. Im Augenblick der Tat bin ich blitzartig in die Rolle des Henkers geschlüpft, der die Axt auf das Objekt niedersausen lässt, weil er es tun muss. Weil es sein Beruf ist. Weil man es ihm so aufgetragen hat.
    Im ersten Fall war es einfach, weil mich das Objekt nicht bemerkt hatte. Dem zweiten Objekt hatte ich zwar den Mund verklebt, bevor das Winseln und Betteln losgehen hätte können, aber ich habe trotz der Dunkelheit seine Augen gesehen und es mit einem Körper zu tun gehabt, der sich, wenn auch nur für kurze Zeit, gedreht und gewunden hat. Das hat die Aufgabe etwas schwieriger gemacht, aber ich habe auch diesen Test plangemäß bestanden. Keine Emotionen. Wenn man sich wirklich darauf konzentriert, dann klappt es auch.
    Ich weiß zwar, dass ich vielen rechtschaffenen Menschen mit der Entfernung der ersten beiden Objekte genützt habe, aber ich kann mir das Triumphgefühl, das ich deshalb vielleicht empfinden könnte, noch nicht leisten. Ich habe bisher lediglich zwei Jobs erledigt, beide verdammt gut. Etwas Stolz ist alles, was ich mir genehmige. Weil die Entfernung der Objekte der simpelste Teil des großen Planes ist. Ich habe ein Bild gemalt, das ein Monster namens Martin Hanser zeigt, und es in kleine Puzzlesteine zerlegt, die ich ihnen jetzt Stück für Stück vorlege. Keiner der ach so großen Schlaumeier im Paulustor und in der Redaktion der Guten wird am Ende wissen, wer der Künstler war.
    Natürlich bin ich ein empfindender Mensch. Das muss ich auch sein, das ist der Sinn des ganzen Planes. Ich bin jetzt endlich in der Lage, allen meinen Fähigkeiten freien Lauf zu lassen. Wie oft habe ich früher, wie so viele andere, gedacht, dieses Schwein würde ich gerne umbringen, und es dann, wie fast alle anderen, beim Gedanken belassen. Nicht nur das, ich hatte eine Realisierung schlichtweg für unmöglich gehalten und mich im Gehorsamswinkel ihrer Welt geduckt. Brav und bieder, wie man eben so zu sein hat, als Mitglied dieser Gesellschaft.
    Deshalb können die Hansers, die Klausbergers und die Thermen-Leos dieser Welt auch ihre Menschenspielchen mit uns spielen. Wie in einem Puppentheater. Sie ziehen am Schnürchen und der zum dümmelnden Gehorsamsroboter degenerierte Pöbel tanzt. Und er merkt bis zu seinem Begräbnis nicht, dass er nie in der Lage war, sein eigenes Leben zu leben. Es ist gut, dass die meisten dumm und ahnungslos sterben. Es würde ein Gemetzel geben, wenn es mehrere wären, die die Wahrheit so wie ich sehen können. Die Konsequenz daraus würde die Erkenntnis sein, zu der ich gekommen bin: Dass es das höchste Ziel jedes denkenden Menschen sein muss, seine Peiniger zu vernichten, um selbst endlich frei sein zu können.
    Angesichts dessen, was ich durch solche Typen in meinem Leben erlitten habe, ist es nur legitim, dass ich jetzt auch ein gewisses Lustempfinden

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