Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
zuadraht

zuadraht

Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
Vom Netzwerk:
Sargo darauf vorbereiten, dass sein Wochenende endgültig im Arsch ist. An einem Sonntag um, wie spät ist es jetzt, halb zwei, da denkt der gute Raul ohnedies schon an seine Patienten vom nächsten Tag. Und wenn ich ihm sage, dass es schon wieder einen von denen erwischt hat, das wird ein Glucksen, sage ich, dass der Sargo sogar den Sonntag vergisst.
    *

In der Küche, Sonntagmittag
    Ich liebe dieses Foto. Ja, Vater, besser hätte dich der Fotograf nicht treffen können. Dr. Ferdinand Hofer, der gefürchtetste Richter am Straflandesgericht in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße. Genau so, wie du auf deinem Richterstuhl deine Angeklagten angeblickt hast, hast du auch mich meistens angeblickt. Deine Blicke waren immer strafend. Und ich habe immer ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich dir in die Augen schauen musste. Rechtschaffen, ja, das ist das Wort. Du warst rechtschaffen, und das wollte auch ich immer sein.
    Wahrscheinlich wäre alles anders gekommen, wäre Mutter nicht bei meiner Geburt gestorben. Und ganz sicher wäre ich heute, wie du es immer wolltest, auch ein gut verdienender Jurist, wenn nicht der besoffene Lastwagenfahrer damals in Unterpremstätten dein Auto flachgewalzt hätte. Mir blieb nur das Zweitbeste – die Polizei. Aber du wärst stolz auf mich gewesen, Vater. Ich war ein hervorragender Polizist, und ich wäre auch ein hervorragender Kriminalist gewesen, wenn es nicht menschliche Ratten gegeben hätte, die es verhindert haben. Du darfst auch jetzt stolz auf mich sein, Vater. Was ich tue, hat zwar nichts mit deinen Strafgesetzbüchern zu tun, ich bin aber überzeugt, dass du erkennen würdest, dass es sich auch hier um deine Art von Gerechtigkeit handelt.
    Ich sehe dich ganz klar vor mir. Ja, ich rieche dich sogar. Daheim, in der alten Wohnung. Nur du und ich. Du, in der Bibliothek, beim Anzünden des Kaminfeuers, gebückt, mich über die Schulter anschauend. Nicht strafend, anklagend. So, als hätte ich das verhasste Gesetz gemacht. Die Todesstrafe wäre für diese Kreatur noch zu milde gewesen, hast du gesagt, und dann fast unter Schmerzen: Weißt du, was er von den verdammten Geschwornen gekriegt hat? 15 Jahre! Mickrige 15 Jahre!
    Meine Angeklagten kriegen mehr, Vater. Nicht eine dieser weichlichen Pseudo-Strafen, die das so genannte Gesetz für das Brechen seiner Regeln vorgesehen hat. Ich habe mir mein eigenes Strafgesetzbuch zurechtgebastelt, Vater. Und auf die eine, die entscheidende Konsequenz wärst du mit Sicherheit ganz besonders stolz: Meine Angeklagten werden garantiert nie mehr rückfällig!
    *

„Da Hofa wọa‘s, da Sindnbog, da Hofa, den wọs eh kana mọg“ Was für ein verrücktes Wochenende, Wolferl, dachte ich. Keine achtundzwanzig Stunden ist es her, dass mich der Feichtlbauer von der Couch geholt und uns getrennt hat. Keine achtundzwanzig Stunden, und zu einem abgestochenen Stadtrat gesellt sich ein aufgeknüpfter Landesrat. Gemeuchelt durch einen Starschreiberling, und der Chefredakteur der größten Tageszeitung im Land Steiermark zieht auch noch Profit daraus, indem er ihn, den Hanser, ungestraft erklären lässt, warum er, der Hanser, tut, was er tut. Da läuft doch was schief, verdammt noch einmal, oder?
    Eggenberger Straße.
    Was, überlegte ich weiter, beim Taktklopfen mit dem Ring an der Rechten auf dem Holzlenkrad, das du, Rosa, mir, Ferri, geschenkt hast, damit ich – klackidiklack – nicht immer nur an ihn denke, den Ambros Wolferl, hast du gesagt, dachte ich, was also lässt einen, wie den Hanser, zu Messer und Strick greifen und die Kraft seiner Worte beiseite legen, die eine bloße Kraft der Guten ist, weil doch Worte niemals zur unüberwindlichen Kraft werden in einem kleinen provinziellen Blatt, in einem großen wie der Guten aber sehr wohl und erst recht und ganz unabhängig von der eigentlichen Kraft der Worte überhaupt?
    Europaplatz, links in die Grazer Bundesstraße.
    Geht das so einfach? Mit Sushimesser und Strick Zustände beseitigen, die sich nicht wegschreiben lassen? Unter den Augen und im Namen der Öffentlichkeit? Einer so genannten Öffentlichkeit, dachte ich, die sich diese Zustände selbst zuzuschreiben hat mit ihren geschlagenen Kreuzchen beim Urnengang und zulässt, dass einer wie der Hanser zur mordenden Galionsfigur aufsteigt, zu ihrem verbrecherischen Wortführer und Sprachrohr, und zwei Politiker, die einem bestenfalls als Menschen Leid tun können, womöglich im Krematorium, man weiß ja nie, zu deren letztem Urnengang schickt?

Weitere Kostenlose Bücher