zuadraht
hinter den zwei Morden steckt. Wenn auch nicht als Täter.“ Ich warf einen Blick auf meinen Notizblock. „Folgende Fragen haben sich mir bisher aufgeworfen: Was ist das Motiv? Ist es der blanke Hass auf Politiker, wonach es derzeit aussieht, wenn man die Kolumnen in Betracht zieht, oder steckt etwas anderes dahinter? Wenn ja, was?“
„Vielleicht hat er es satt gehabt, immer nur mit seinem Geschreibsel zu Felde zu ziehen?“, warf der Betrug ein. „Oder er ist einfach ausgerastet. Und hat sich einen Verbündeten gesucht, der über gewisse Kenntnisse verfügt.“
„Schon möglich“, entgegnete ich. „Immerhin ist er Alkoholiker. Das wirft natürlich die Frage auf, inwieweit Hanser in der Lage ist, einen mordenden Vasallen zu führen. Und ob er einschlägige Kontakte zur Unterwelt unterhält. Auch das müssen wir klären. Aber jetzt weiter im Text: Wie wurden die Taten vorbereitet? Bekanntlich hat jede Tat, es sei denn, sie passiert im Affekt, eine Vorgeschichte. Wie kam es also zu dem Messerdiebstahl im Tokio? Der Zeitraum lässt sich, wie wir vom Koch wissen, auf zwei bis drei Tage einschränken. Frage: Wer könnte das Messer gestohlen haben? Ein Stammgast? Ein unbekannter Gast? Gab es Ein-Mann – oder, man weiß ja nie, Ein-Frau-Reservierungen in der fraglichen Zeit? Im Tokio muss man einen Tisch auf Wochen im Voraus bestellen. Oder war der Dieb in Begleitung von Martin Hanser dort? Wenn ja, wann?“
„Wenn der Hanser dort so bekannt war, riskiert er doch nicht, bei einem Diebstahl in seinem Stammlokal erwischt zu werden“, bemerkte die Sitte.
„Gerade dann fällt es nicht auf“, hielt das Raubeck blitzartig dagegen. „Da hat er jede Menge Gelegenheiten.“ Raub gegen Sitte, die Nächste.
Ruhig, nur ruhig, dachte ich, Karlsson vom Dach sagt das auch immer, ich muss die Kollegen beruhigen. „Ruhig, nur ruhig“, sagte ich beschwichtigend. „Beides hat was für sich, meine Herren. Deswegen sitzen wir hier. Um alles abzuwägen. Egal, vom wem was kommt, okay? Wenn also der Dieb nicht mit Martin Hanser dort war, in wessen Begleitung sonst? Das hieße ja, dass es zumindest einen dritten Mitwisser gibt. Woher wusste der Mörder, dass Frank Klausberger immer alleine an der Mur joggen ging? Woher, dass er kurz nach sieben Uhr früh beim Paddlerhaus an der Murpromenade Rast machen würde? Woher, wie man einen einzigen perfekten Stich von hinten ins Herz ausführt? Wie konnte er sicher sein, dass es ihm gelingen würde, Leopold Moser aus dem Schloss Eggenberg herauszulocken? Wo hält Hanser sich versteckt? Hat er einen Zweitwohnsitz? Hat er Freunde, die ihn verbergen würden? Was wissen seine Freunde oder Bekannten oder Arbeitskollegen? Hat er Andeutungen gemacht? Hat er einen geheimen Unterschlupf? Mit wem war er in den vergangenen, sagen wir, sechsundneunzig Stunden in Kontakt? Telefonisch oder persönlich? Wer war bei ihm in der Redaktion? Wen hat er wann in seinen Stammlokalen getroffen? Woher stammt das Seil, mit dem Moser erhängt wurde? Was hat es mit den Knoten auf sich? Auch wenn wir inzwischen gehört haben, dass derartiges Wissen breit gestreut sein kann. Und vorweg die vorrangigste von allen Fragen: Gibt es ein nächstes Opfer? Wenn ja, wer? Nachdem nicht nur die Stadt seit heute Mittag Kopf steht, sondern auch der Wasserkopf unseres Vereines, haben sämtliche Politiker des Landes ab sofort Personenschutz. Anweisung von ganz oben. Aus Wien. Personell stehen wir das nicht lange durch. Und medial wird es auch kein Honiglecken, darauf könnt ihr euch schon einmal einstellen.“
„Ist es nicht auch denkbar, dass all das gegen Hansers Willen geschieht?“ Stillhofers Einwurf verfehlte seine überraschende Wirkung nicht.
„Theoretisch ja“, sagte ich. „Aber was ist dann mit den Kolumnen?“
„Wir können sie ja auf ihre Authentizität vergleichen lassen“, sagte Michelin. „Die letzten beiden mit jenen vor Hansers Verschwinden. Für einen Sprachwissenschafter kein Problem. Ich kenne jemanden am Germanistikinstitut an der Uni. Ein Bekannter meiner Frau. Den kann ich auch heute noch stören.“ „Gut, Michelin“, sagte ich. „Leite das in die Wege. Wir dürfen nichts unversucht lassen. Man weiß nie. Dabei fällt mir ein: Wie siehts mit dem zweiten Tatort aus? Welche Spuren haben wir?
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Ferri. Du weißt ja, Unmögliches sofort, Wunder etwas später.“ (Wieder ein Klassiker, dachte ich.) „Die Gerichtsmedizin hat den Kugelschreiber im Expresstempo aus
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