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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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kriminalistisches Pulver erst verschossen, im Kaffeesudlesen ihr Heil sucht. Betörend blond, vorabendprogrammtauglich mit Bildschirmlächeln, eine, die einen kurzen Blick auf den erhängten Landesrat mit einem Kugelschreiber im Aug wirft und dir sagt, warum der Mörder ein verschrobener, schrumpeliger Gnom ist, Inländer – und Weißer, hätten sie drüben überm großen Teich hinzugefügt –, Brillenträger, Hornfassung, um genau zu sein, jahrelang Bettnässer, und weiterhin, obwohl er doch schon zweiundvierzig ist, vielleicht auch ein Jahr älter, so genau geht es dann auch wieder nicht, weiterhin also seiner jüngeren Schwester an die Brust greift und zuhause wohnt, Gemeindebau, und mit Mama unter einer Decke steckt, an Papas Stelle im Doppelbett. Einer, dessen aggressives, blutiges Treiben samt und sonders gegen den Vater gerichtet ist, wird sie sagen, dachte ich, und einer, der in einem schwelenden Autoritätskonflikt tötet, um den Vater zu treffen, und dass er es jetzt ist, der anstelle des Herrn Papa dann und wann die Frau Mama vermöbelt. Er muss ja den Platz ganz und gar einnehmen, und die Neumalkluge beschreibt dir und vor allem dem Rest der Welt den Nämlichen so genau, dass es nur noch eine Frage der Zeit, der allerkürzesten Zeit sein kann, bis ein obrigkeitshöriger Denunziant, der an jeder Ecke sitzt und lauert, man weiß ja nie, diesen Nämlichen erkennt und preisgibt, und du, der Leiter der Mordkommission, zu guter Letzt der Trottel bist, weil du ihn doch nicht kriegst. Und das bei der präzisen Beschreibung.
    *
    Der Anruf aus der Funkleitzentrale kam kurz vor acht. Ich war auf dem Weg zum Besprechungsraum, wo sich die dreißig Kollegen der Sonderkommission vollzählig eingefunden hatten. „Nummer drei, wir vertagen auf elf Uhr. Und sagt einer dem Kurzen, dass ich nicht kann um neun“, warf ich knapp in die Runde, pickte einen enthusiastischen Stillhofer heraus, las einen frivolen Michelin auf, dem der Sonntagabend mit seiner Frau gut getan haben dürfte, und fuhr mit ihnen los.
    Paulustor. Maria-Theresia-Allee. Die Stadt war eingetrübt. Fassaden wie eine wabernde, ecklose Masse. Grazer Ring-Bundesstraße, Humboldtstraße, Wickenburggasse, Schlossberg linker Hand. Straßen wie Güllerohre, durch die sich ein Strom unverdauter Einbrennsuppe ergießt, ein eingedicktes zähes Fließen und Stocken, durch das flache aufgeregte Piepsen eines Folgetonhorns nicht auszudünnen, mitnichten, als trete der Frosch im Schlagobersbecher gegen das Ertrinken an und dabei die Flüssigkeit unter den zappelnden Beinchen zum festen, steifen Schaum, in dem sich alles und jede Bewegung verliert und in Reglosigkeit erstarrt.
    Murbrücke, Keplerstraße, Endstation Keplergymnasium. Eine unruhige Menge heranwachsender Menschen vor altem Gemäuer in Schönbrunngelb, links und rechts zum Treppenaufgang des Hauptportals in einem Spalier zwei dicht verwachsene Trauben kleinerer wie größerer Früchtchen. Eine Schülercuvee aus Cabernet und Merlot, dachte ich, ein paar wenige bleich und schweigend, die anderen in einem fort schnatternd und ebenso blass, wie nasse Tafelkreide.
    „Scheiß Kieberer“, schallte es aus den hintersten Reihen in den schmalen Gang, den sie uns auf dem Weg zum Eingang ließen, gerade dort im Schutz der Masse, dachte ich, wo die Allermutigsten zu finden sind, gefolgt von Stimmbruchgelächter aus dem mitläuferischen Mittelbau, ein Bespötteln, das mit jedem Meter Nähe zu Michelin, Stillhofer und mir abnahm mit der Beständigkeit einer sterbenden Welle. Wortfetzen wie „coole Sache“ und „Wetten . . .?“ schwappten an uns heran, ganz so, als würden die Quoten schon stehen, wen es denn erwischt hat da drinnen. Womöglich einen von Ferris Lehrern, dachte ich sogleich, er geht ja auch ins Kepler, 1 A, womöglich dieser Matheprofessor, dieser . . . wie heißt er gleich, etwas, das wie Vandale klingt, überlegte ich ohne es zu wollen, ein ehemaliger Amateurboxer, hat Ferri gesagt, der die erste Stunde damit eröffnet hat, in die Knie zu gehen und den Lehrersessel zu packen, ganz unten beim Boden, mit einer Hand an einem Bein, an der vorderen, der Lehne abgewandten Seite, ihn am gestreckten Arm auf Kopfhöhe gestemmt und gesagt hat, dass wer dieses in der Unterstufe vermöge, den Einser bei ihm gepachtet habe. Seitdem wird trainiert.
    „Fette Sau, kein Wunder, dass die solange brauchen? Michelin zuckte kurz zusammen, schien sich die Hochstimmung aber auch dadurch nicht nehmen zu lassen und raunte

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